II.

[14] Wer auf Gewalt im Rath sich stützt

Und dem Wind folgt, der grade nützt,

Der stößt die Sau zum Kessel itzt.


Zwei Narren mühen sich ab ein Schwein mit Stöcken in einen Kessel zu heben.


Von guten Räthen.

Viel sind, die trachten früh und spat,

Wie sie bald kommen in den Rath,

Die doch vom Rechte nichts verstehn

Und blindlings an den Wänden gehn.

Den guten Chusi man begrub,

Zum Rath man Ahitophel hub.

Wer richten soll und rathen schlecht,

Der rath' und stimm' allein nach Recht,

Auf daß er nicht ein Zaunpfahl bleibe,

Der nur die Sau zum Kessel treibe.

Fürwahr, sag' ich, es hat nicht Fug:[14]

Es ist mit Rathen nicht genug,

Womit verkürzet wird das Rechte;

Das Bessere billig man bedächte

Und forschte nach, was man nicht weiß.

Denn wird verdreht des Rechts Geleis,

So stehst du wehrlos da vor Gott,

Und glaube mir, das ist kein Spott!

Wenn Jeder wüßt', was folgt darnach,

Wär' ihm zu urtheilen nicht zu jach;

Denn mit dem Maß wird Jedermann

Gemessen, wie er hat gethan.

Wie du mich richtest und ich dich,

So wird Gott richten dich und mich.

Ein Jeder wart' in seinem Grab

Der Urtheil', die er selbst einst gab,

Und wer damit beschweret viel,

Dem ist gesetzet auch sein Ziel,

Wo er ein kräftig Urtheil find':

Es fällt der Stein ihm auf den Grind!

Wer hier nicht hält Gerechtigkeit,

Dem droht sie dort mit Härtigkeit:

Denn Vorsicht nicht, Gewalt noch Rath

Noch Witz vor Gott Bestehen hat.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 14-15.
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