IX.

[25] Wer bös an Sitte und Geberde

Und guckt, wo er zum Narren werde,

Der schleift die Kappe an der Erde.


In einem reich ausgestatteten Gemache zieht ein prächtig gekleideter Mann die Narrenkappe am Seil hinter sich her, wobei er nach derselben zurückblickt.


Von bösen Sitten.

Viel gehn in Schauben stolz daher

Und werfen den Kopf bald hin, bald her,

Dann hin zu Thal, dann auf zu Berg,

Drauf hinter sich und überzwerch,

Bald gehn sie rasch, dann sehr gemach;

Das ist ein Zeichen und Ursach',

Daß leichtsinnig sie von Gemüthe,

Wovor man sich gar billig hüte.

Wer klug nach guter Sitte späht,

Dem auch sein Wesen wohl ansteht,

Und was derselbe beginnt und thut,

Das dünket jeden Weisen gut.

Die ächte Weisheit zeigt erst Scham,

Ist züchtig, still und friedesam,

Es ist bei ihr dem Guten wohl,

Drum füllt sie Gott der Gnaden voll.

Viel besser hat man gute Geberde,[25]

Denn allen Reichthum auf der Erde,

Weil aus den Sitten man bald entnimmt,

Wie einer im Herzen ist gestimmt.

Gar Mancher nur wenig Sitte beweist,

Das macht, er hat sich nicht ihrer befleißt,

Und ist erzogen nicht dazu,

Drum hat er Sitten wie eine Kuh.

Die beste Zierde, der höchste Nam'

Sind gute Sitten, Zucht und Scham.

Noah wol guter Sitten pflag,

Doch schlug ihm Ham, sein Sohn, nicht nach.

Wer einen weisen Sohn gebärt,

Dem man Vernunft, Sitt', Weisheit lehrt,

Der danke Gott doch früh und spat,

Der ihn mit Gnad' versehen hat.

In des Vaters Nase biß Albin,

Weil der ihn nicht ließ gut erziehn.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 25-26.
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Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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