XCII.

[174] Wer Hoffahrt liebt und thut sich loben

Und sitzen will allein hoch oben,

Den setzt der Teufel auf den Kloben.


Auf einer Stange, die der im Gebüsch verborgene Teufel festhält, sitzt als Lockvogel eine eitle Frau, die sich im Spiegel besieht. Unter einem Roste brennt schon für sie das höllische Feuer.


Ueberhebung der Hoffahrt.

Der macht ein Feuer auf strohernem Dach,

Wer auf der Welt Ruhm setzt die Sach'

Und alles thut um zeitliche Ehr';

Dem wird zuletzt nichts andres mehr,

Als daß sein Wahn ihn hat betrogen,

Wie einer baut auf Regenbogen.

Wer wölbt auf eine Tannensäule,

Deß Anschlag zeigt vorzeitig Fäule;

Wer Ehr' und Weltruhm hier begehrt,

Der harrt nicht, daß ihm dort mehr werd'.

Manch Narr von Hochmuth ist entbrannt,

Weil er gekommen aus welschem Land

Und man auf Schulen ihn unterwies[174]

Zu Bonôni, Pavîa und Paris

Und zu Hoch-Siên in der Sapienz

Und in der Schule zu Orliens,

Daß er den Roraffen gesehen hätt'

Und den Meister Peter von Conniget.

Als ob nicht auch in deutscher Art

Vernunft und Sinn noch sei bewahrt,

Daß man Weisheit und Kunst möcht lehren

Ohn fern auf Schulen sie zu hören.

Welcher will lernen in seinem Land,

Der findet jetzt Bücher allerhand,

Daß Niemand kann entschuldigen sich,

Er wolle denn lügen lästerlich.

Man meint vielleicht, es gäb' keine Lehre

Als zu Athenä überm Meere,

Darnach man sie in Welschland fand:

Jetzt blüht sie auch im deutschen Land,

Und nichts gebräch uns, – wär nicht der Wein,

Und daß wir Deutsche voll wollen sein

Und hätten gern ohn' Arbeit Lohn.

Wohl dem, der hat einen weisen Sohn!

Nicht acht' ich's, daß man Kunst viel kann,

Wenn man Hochfahrt damit gewann

Und will dadurch sein stolz und klug:

Wer weis' ist, der kann Kunst genug.

Wer lernt um Hochfahrt nur und Geld,

Der spiegelt sich allein der Welt,

Wie eine Närrin liebt zu putzen

Und spiegeln sich der Welt zu Nutzen,

Wenn sie spannt auf des Teufels Garn

Und läßt viel Seelen zur Hölle fahrn.

Das ist das Käuzlein und der Klobe,

Dadurch der Teufel sucht nach Lobe,

Und hat geführet Manchen hin,

Der klug sich hielt in seinem Sinn.

Denn Bileam Balach Rath ersann,[175]

Daß Israel Gottes Zorn gewann

Und nicht sollt' in dem Streit bestehn,

Zu dem um Frauen es mußt' gehn.

Hätt' Judith sich nicht schön geziert,

Wär' Holofernes nicht verführt;

Isêbel strich sich Farben voll,

Als sie wollt' Jehu gefallen wohl.

Der Weise spricht: »Kehr dich geschwind!

Der Frauen Blick reizt dich zur Sünd!«

Viel Närrinnen sind also geil,

Daß sie ihr Antlitz bieten feil

Und meinen, es soll schaden nicht,

Schaun sie dem Narrn ins Angesicht.

Und doch hat lüsterner Blick mit Macht

Schon Manchen zur Narrenbank gebracht,

Der nicht eher wieder heimgegangen,

Bis er den Häher hat gefangen.

Hätt' Bersabe ihren Leib bedeckt,

Sie wäre durch Ehbruch nicht befleckt;

Nach fremdem Mann hat Dina gegafft,

Bis sie verlor die Jungfernschaft.

Eine demüthige Frau ist ehrenwerth

Und würdig, daß sie werde geehrt,

Die aber Hochfahrt nimmt zu Händen,

Deren Hochmuth will sich nimmer enden,

Die will auch allzeit vornan dran,

Daß Niemand mit ihr leben kann.

Die größte Weisheit auf der Erd'

Ist, können thun was jeder begehrt,

Und wenn man das für gut nicht nimmt,

Doch können thun, was jedem ziemt.

Wer aber Frauen thun will recht,

Sei stärker als ein Kriegesknecht,

Denn sie thun oft durch Blödigkeit

Noch mehr als wie durch Listigkeit.

Die Hochfahrt, die Gott haßt so sehr,

Steigt stätig auf, je mehr und mehr,

Und fällt zuletzt zu Boden doch

Zu Lucifer ins Höllenloch.[176]

Hör', Hoffahrt, es kommt dir die Stunde,

Wo du vernimmst aus eignem Munde:

»Was bringt mein hoher Muth mir Freude,

Wenn ich hier sitz' in trübem Leide?

Was hilft mir Geld, Gut, Eigenthum,

Was hilft der Welt Ehr', Lob und Ruhm?

Es ist nichts als ein Schattenspiel

Und findet bald ein jähes Ziel!«

Wohl dem, der alles dies verachtet

Und Ewiges allein betrachtet.

Für einen Narrn ist nichts zu hoch,

Es fällt mit ihm zum Letzten doch

Zumal die Hoffahrt schändelich,

Die hat Natur und Art an sich,

Daß sie den höchsten Engel stieß

Vom Himmel fort und auch nicht ließ

Im Paradies den ersten Mann;

Auf Erden sie bestehn nicht kann,

Sie muß stets suchen ihren Stuhl;

Bei Lucifer im Höllenpfuhl

Sucht sie sich den, der sie erdacht;

Hoffahrt ist bald zur Höll' gebracht.

Durch Hochmuth ward Hagar von Haus

Mit ihrem Kind getrieben aus;

Durch Hoffahrt Pharao verdarb,

Korah mit seiner Rotte starb;

Der Herr gar sehr ward aufgebracht,

Als man den hohen Thurm erdacht;

Als David ließ aus Hochmuth zählen

Das Volk, mußt' er sich Plage wählen;

Herodes prunkte voll Hoffahrt,

Als ob sein Wesen göttlicher Art;

Er wollt' auch haben göttliche Ehr'

Und ward vom Engel geschlagen sehr.

Hochmuth erniedrigt Gottes Rath,

Demuth er stets erhöhet hat.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 174-177.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Gespenstersonate

Gespenstersonate

Kammerspiel in drei Akten. Der Student Arkenholz und der Greis Hummel nehmen an den Gespenstersoirees eines Oberst teil und werden Zeuge und Protagonist brisanter Enthüllungen. Strindberg setzt die verzerrten Traumdimensionen seiner Figuren in steten Konflikt mit szenisch realen Bildern. Fließende Übergänge vom alltäglich Trivialem in absurde Traumebenen entlarven Fiktionen des bürgerlich-aristokratischen Milieus.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon