[104.]

[277] Wer durch liebkosen vnd trouwort

Die worheyt setzet an eyn ort

Der klopft dem endkrist an der port


104. worheyt verschwige

worheyt verschwigē.

Der ist eyn narr / wer wyrt zerstört

Inn sym gemüt / so man anfört

Vnd mit gewalt / jnn zwingen wöll

Das er die worheyt schwigen söll

Syn wißheyt vnder wägen lon

Vnd soll den weg der torheyt gon

Den der on zwiffel anhyn fert

Der sich an solche trouwort kert[278]

Die wile doch got / vff syner sytt

Ist / vnd beschyrmt den alle zyt

Der von der worheyt sich nit scheydt

Das er zü keyner zyt beleydt

Syn füß / wer vff der worhyt blibt

Bald / der all vygend von jm tribt /

Eyn wiß man statt der worheyt zů

Ob er joch säch Phalaridis ků /

Wer nit kan by der worheit ston

Der můß den wäg der torheyt gon

Hett jonas worheit gkundt by zyt

Der visch hett jn verschlucket nytt

Helyas hielt mit worheit priß

Dar vmb fůr er jnns Paradiß /

Johannes floch der narren louff

Dar vmb kam christus zů sym touff /

Wer eynen lieplich stroffen důt

Ob ers joch nit hat glich für gůt

So würt doch ettwan syn die stundt

Da es jm zů verdancken kundt

Vnd grösser bāck nymbt vmb stroff wort

Dann ob er redt / das man gern hort

Daniel keyn liebdat nemen wolt

Als er Balthesar sagen soltt

Vnd jm die worheit legen vß

Dyn gelt blib (sprach er) jn dym huß

Der engel hyndert Balaam

Dar vmb das er die gaben nam

Vnd wolt důn wider die worheyt

Des wart verkört als das er seyt

Der esel strofft den / der jn reyt /

Zwey ding mag man verbergen nit

Zů ewig zyt sycht man das drytt /

Eyn statt gebuwen jnn der höh /

Eyn narr / er stand / sitz / oder gee /

Sicht man doch bald / wesen vnd bscheit

Worheyt sicht man jnn ewigkeyt

Vnd würt sich nyemer me verlygen[279]

Wa narren schon den hals ab schryen /

Worheyt ert man durch alle land

Der narren freüd ist / spott / vnd schand /

Ich bin gar offt gerennet an

Wile ich diß schiff gezymberet han

Ich soll es doch eyn wenig färben

Vnd nit mit eychen rynden gärben

Sunder mit lynden safft ouch schmyerē

Vnd ettlich ding ettwas glosyeren

Aber ich ließ sie all erfryeren

Das ich anders dann worheyt seyt

Worheyt die blibt jnn ewikeyt

Vnd würt eym vnder die ougen ston

Wann nyemer wer diß büchlin schon /

Worheyt ist stercker dann all die

Mich hynder reden / oder sie

Wann ich mich hett gekört dar an

Ich můst byn grössten narren stan

Die ich jnn allen schiffen han


Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 277-280.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon