[49] Hellerleuchteter Prunksaal in
Graf Robert's Schlosse.
Graf Robert. Bianca. Damen und Herren. Zofen und Diener. Musikanten. Gaukler.
Herren und Damen um eine lange, reichbesetzte Tafel gelagert, schmausen und lachen. Bianca hat zur Laute gesungen und legt sie weg. Die Gäste erheben sich und rufen:
Einmal noch, es war zu schön,
Zu entzückend anzuhören,
Alle Sinne zu bethören,
Einmal noch die Laute tön'!
ROBERT.
Ja, Bianca, dieser Sang,
Glüh'nder als der Saft der Reben,
Goß er aus sich in mein Leben,
O noch einmal diesen Klang,[49]
BIANCA.
Nur, mein Robert, nicht umsonst;
Nur, wenn meine Lippen schlürfen
Dir am Seelenbecher dürfen,
Wenn vorher du so mich lohnst!
ROBERT sie stürmisch küssend.
Meines Daseins schöne Seele,
Ohne die es längst verschied,
O pulsire und vermähle
Uns im voraus durch dein Lied!
BIANCA präludirt.
Faust und Cosmo treten ein.
COSMO.
Euer Narr blieb außen steh'n?
FAUST.
Beim Gesind' sich umzuseh'n,
Denn er denkt sich, und mit Recht,
Wie der Herr, so auch der Knecht.
ROBERT.
Braver Cosmo, tücht'ger Sänger,
Gut, daß du nicht weiltest länger.
COSMO Faust vorstellend.
Dieser Fremde, der auf Reisen,
Will sich freundlich euch erweisen.
FAUST.
Diese Nacht seid mir zum Frommen –[50]
ROBERT.
Edler Herr! seid uns willkommen!
Aber setzt euch, trinkt und lauscht,
Denn Bianca's Laute rauscht.
FAUST sich neben Cosmo Bianca gegenüber setzend.
Danken muß ich's dem Geschicke,
Schutz vor Sturm bei solcher Lust. –
Für sich.
Welcher Himmel in dem Blicke,
O wie wogt's in meiner Brust!
BIANCA spielend zu Faust.
Bess'res hörtet ihr wol viel
Als mein schwaches Saitenspiel?
FAUST.
O was euch Natur verlieh,
Bess'res sah und hört' ich nie!
BIANCA singt und spielt.
Mehr als Liebe zu geben
Vermag kein Geschick:
Ohne Liebe kein Leben,
Ohne Liebe kein Glück!
Das fühlte einst im Mondesschein,
Ach, Laura, denn sie saß allein.
[51]
In dem Schoße der Rose
Schläft der Schmetterling ein,
Es zog ihn die Lose
Durch Honig hinein.
Das fühlte Laura süß und warm,
Ihr Trauter lag ihr ja im Arm!
Der Schmetterling gaukelt
Am Morgen dahin;
Und Röslein? – es schaukelt
Einen andern wie ihn.
Dies Laura sich zu Herzen nahm;
Ihr Trauter starb, ein Andrer kam.
Wiederkommen die Falter,
Wieder blühet die Ros';
Nur dem Menschen, im Alter,
Lacht nimmer dies Loos!
So dachte Laura und – mit ihr?
Wir Alle, Alle, Alle hier!
Denn mehr als Minne zu geben
Vermag kein Geschick:
Ohne Liebe kein Leben,
Ohne Liebe kein Glück!
Alle Gäste fallen jauchzend ein im Chor.
Ohne Minne kein Leben,
Ohne Liebe kein Glück!
[52] Sie springen auf, Herren und Damen drängen sich um Bianca, welcher Robert zu Füßen fällt.
DIE ZOFEN durcheinander.
Die Liebe ist das Um und Auf
Des Lebens, und wir schwören drauf!
DIENER zusammen.
Gäb's keine Zofen wo im Haus,
Der Guckguck hielt' es lange aus!
ROBERT knieend.
O hätte dich mein Vater nur gehört,
Du Zauberin, längst wärest du schon mein;
Er starb im Haß, den er für dich genährt,
Man grub nunmehr sammt seinem Fluch ihn ein;
Ich aber liebe dich wie nichts auf Erden,
Durch meine Glut soll auch Ersatz dir werden!
BIANCA erhebt ihn umarmend.
Wilder, holder, lieber Mann!
Was ein Weib dir bieten kann,
In der kurzen Blütezeit,
Sei dir zum Genuß geweiht:
Wie ich war und wie ich bin,
Gerne schenk ich's, nimm es hin! –
Man zecht und singt.
CHOR DER DAMEN.
Frisch, wie vom wilden Rosenstrauch,
Weht junger, freier Liebe Hauch.[53]
CHOR DER HERREN.
Wir scheuen nicht der Rose Zorn,
Wir pflücken sie, zuerst den Dorn.
CHOR DER ZOFEN.
Gäben nicht die Bäume Schatten,
Müßten wir vor Glut ermatten.
CHOR DER DIENER.
Was die Dam' dem Herrn bei Hofe,
Ist dem Diener fein die Zofe.
MEPHISTOPHELES unsichtbar zu Faust.
Gib Acht, verrathe dich nur nicht;
Du liebst, mir sagt es dein Gesicht:
Und daß du nicht Graf Robert liebst,
Ist's nicht, wodurch du mich betrübst.
Schwelg' immerhin in ihren Blicken,
Ich sä' inzwischen meine Saat,
Und helf' dir, will es sich nur schicken;
Bin ich denn nicht dein lust'ger Rath?
FAUST glühenden Blickes nach Bianca.
Ob ich liebe, ob ich hasse?
Mich der Flamme überlasse,
Die schon aus der Seele schlägt
Und mein Ganzes Ich erregt –?
MEPHISTOPHELES.
Ich hab' ein Puppenspielchen vor;
Bald komm' ich wieder, sei kein Thor.
Ab.
[54] Alle haben sich wieder gesetzt und schmausen.
ROBERT Bianca im Arme.
Nun, wackrer Cosmo, deinen Faustgesang.
Noch blitzt und donnert's; fandst du ein Gesicht,
Das dir zum Teufel paßt, wie, oder nicht?
Du gingst doch nicht im Sturm umsonst den Gang?
Gib deine Beute preis, stimm' an das Lied;
Ich freue mich des Spuks recht im Gemüth.
COSMO sich mit der Harfe zurechtsetzend.
Ja, theurer Schutzherr und erhabner Graf!
Ich fand, was ich gesucht in der Natur;
Mein Blick stieß dort auf des Gefallnen Spur,
In jener Schlucht, wo diesen Herrn ich traf.
Es schlug, denkt euch, ein Wetterstrahl hinein,
Mit unermeßnem Schwefelschein,
In eine tiefe Kluft, vor mir ganz dicht.
Der graue Fels bekam ein Angesicht;
Blitzschlangen, zischend, bildeten sein Haar,
Und eine schwarze Riesenwolke hielt
In der geballten Rechten er so wild
Empor, dem Himmel drohend, wie am Tag,
An dem er einst des Ew'gen Zorn erlag –
BIANCA.
Pfui! Alter, das ist häßlich; heute nicht,
Enthüll' ein andermal dein Traumgesicht;[55]
Heut herrscht hier Lust und selbst den Teufel soll
Nichts treffen da, was klänge so wie Groll!
ROBERT aufstehend.
So recht, Bianca, und nun, Kind, erlaube,
Daß ich den Teufel male an die Wand!
Ich habe lustig rothen Stift zur Hand;
Ich zeichne dir den Kauz, so wie ich glaube.
DAMEN und HERREN.
O schön, o schön, o seltner Schwank!
Das ziemt sich und verdienet Dank.
ZOFEN und DIENER.
Wir freuen uns des Teufels sehr,
Geht er nicht gar zu schwarz einher.
FAUST für sich.
Bianca, so an Seel', an Leib'
Ersah ich in der Welt kein Weib!
BIANCA ebenso.
Das ist ein Mann, so ganz ein Mann,
Der ganz ein Weib beglücken kann!
ROBERT geht zur Wand hinter Faust und beginnt eine lebensgroße Contur auf der Tapete zu zeichnen.
FAUST für sich.
Himmel hier und Hölle dort;
Dürft' ich bleiben, dürft' ich fort!
O wie lechzt mein Herz nach ihr,
Und kein Tropfen Liebe mir.[56]
BIANCA für sich.
Wie er mich ins Auge faßt,
Jetzt erröthet, jetzt erblaßt!
ZOFEN leise.
Ein Teufel soll das werden, ei?
DIENER ebenso.
Wir freu'n uns schon der Teufelei!
BIANCA zu Faust.
Herr, blicket hin doch an die Wand,
Bewundert meines Robert's Hand.
FAUST.
Der Teufel ist zu zeichnen schwer,
Und doch gelingt's ihm mehr und mehr.
ROBERT immer zeichnend.
Nun seht auf mich! Ich meine so,
Zwar ist der Umriß etwas roh:
Vorerst der Teufel ist ein Schalk,
Drum hat er Augen wie ein Falk,
Doch durchaus ohne alles Grau'n,
Nur just nicht immer anzuschau'n.
Der feinen Brauen scharfer Bogen
Hier an den Schläfen aufgezogen.
Die Stirne hoch und scharf durchschnitten,
Da senkrecht diese Falt' inmitten
Zeigt, wo der Blitz herunterfuhr,
Der Abkunft bleibend grelle Spur.[57]
Die Adlernase sagt uns an,
Von altem Adel sei der Mann,
Die, weil er sie in Alles steckt,
Keck in die Luft ist ausgestreckt.
Am schwierigsten zeigt sich der Mund;
Die Lippen, einst wol roth und rund,
Sind dünn und herb zusammengekniffen,
Fast wie ein wenig ungeschliffen.
Das Kinn, ein glattes Marmorstück,
Zieht an wie sein Verführerblick.
So – nu, gefällt's?
ALLE.
O zeichnet fort,
Der Teufel wird's, auf unser Wort!
ROBERT weiter zeichnend.
Ganz dünne Haare werf' ich hin
Dem Lebemann, genug für ihn.
Nun diesen leisen Zug von Hohn
Noch um den Mund da dem Patron.
So –. Trotzig in den Schultern sitzt
Der Kopf, langhalsig, nicht erhitzt.
Denn Phlegma ist sein Element,
Weil er die hitz'gen Menschen kennt;
So weit nun wär' ich. Ist es schlecht?
ALLE.
Ganz prächtig![58]
FAUST.
O ihr zeichnet recht!
ROBERT beendend.
Dann lasset mich vollenden nur
Die so begonnene Contur,
Denn zeigen kann nur fert'ges Bild,
Wie man's Original gefühlt.
Seht her! Welch feine Mannsgestalt,
Da ist Verführung, ist Gewalt.
Von Hahnenfeder, Pferdefuß,
Sich Niemand hier was träumen muß;
Ein Schalk, wie er, schreckt Keinen je,
Und klug birgt er im Wohl das Weh.
Da steht er ganz, da steht er fertig,
Der Künstler ist des Lohns gewärtig.
ALLE.
O wundervoll, o überschön,
Nie haben Gleiches wir geseh'n!
BIANCA ihm an den Hals fliegend.
Hier hast du, goldner Herzensmann,
Den Lohn dafür; nur nimm ihn an!
MEPHISTOPHELES erscheint in der Contur an der Wand, deren Linie er genau ausfüllt, unbeweglich, starr.
FAUST hinstierend.
Fürwahr, fürwahr, ein lebend Bild,
Blickt hin, blickt hin, 'sist ausgefüllt.
[59] Heftiger Donnerschlag; Alle fahren entsetzt zurück.
GESCHREI DER FRAUEN.
Weh uns! Zu Hülf'! Die Höll' ist los!
GESCHREI DER MÄNNER.
Fort aus dem gottverlass'nen Schloß!
Sie wollen hinaus, bleiben aber gebannt stehen. Gruppe. Robert, die halbohnmächtige Bianca im
Arme und den Becher hochgeschwungen; Faust allein belebt und glühend nach Bianca schauend.
MEPHISTOPHELES.
Du hast den Teufel an die Wand gemalt,
Graf Robert, sei denn für dein Bild bezahlt.
Dein Cosmo nicht, mich traf dein Lebesinn,
Drum bin ich dein, drum nimm mein Feuer hin!
Laß deiner Wollust fürder freien Lauf,
Geht auch darob dein Schloß in Feuer auf:
Der Donner rollt, die wilde Flamme haust,
Ich bin Mephisto, dieser hier – ist Faust!
ALLE vom Banne befreit, wild durcheinanderstürzend.
Weh uns!
ROBERT läßt Bianca zu Boden sinken, die Faust auffängt, und tritt wüthend, den Becher vorstreckend, gegen Mephistopheles hin.
Ich trotze dir, verworf'ner Höllenwurm
Und deinem ganzen Elementensturm![60]
Ich bin ein Mann:
Was ich gethan,
Verfecht' ich auch, komm an:
Dich fürcht' ich nicht; nicht deiner ganzen Brut
Weicht Robert's Muth!
Und bricht auch deine ganze Sippschaft los,
Und brennt an zwanzig Ecken auch mein Schloß,
Und ständen selbst die Todten auf:
Nimm dies darauf,
Daß ich dich fürchte nicht –
Ich schmett're dir den Becher ins Gesicht!
Er will den Becher hinschleudern, da verschwindet Mephistopheles und das Bild und an seiner Stelle erscheint der Geist seines Vaters. Robert stürzt zu Boden. Die Gäste fliehen nach allen Seiten. Flammen schlagen zu den Fenstern und Thüren herein. Faust trägt Bianca hinaus. Höllengelächter durch Donner und Sturm.
Der Vorhang fällt.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
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