Sechster Auftritt.

[48] Gabriele. Der Jäger.


GABRIELE.

Da bin ich wieder!


Sie setzt ihren Vorrat auf den steinernen Tisch rechts, ladet den Jäger durch ein Zeichen ein, sich zu setzen und geht an ihm vorüber nach links.


JÄGER wie erwachend.

O du!


Er nimmt Platz, ißt und trinkt.


GABRIELE zart.

Ich möcht' Euch gerne fragen –

Doch ist's bedenklich.

JÄGER.

So?

GABRIELE.

Ihr seid vom Hofe.

JÄGER.

Ei, was thut das?

GABRIELE.

So hört mich an! So hört mich an! –

Kennt Ihr den Prinzregenten?

JÄGER.

Ich? Halb und halb.


Sich verbessernd.


Ich meine von Person.

GABRIELE.

Das ist mir lieb, das ist mir lieb!

Seht, ferne Sonnen blenden,

Sagt's ihm ja nicht, sagt's ihm ja nicht!

Verdient er wohl den Thron?

JÄGER.

Wie fragst du, Kind?

Wer kann wohl von uns beiden

Hierüber so ins Blaue hin entscheiden?


Er steht auf.


Wie wollt' er nicht? Er ist ein Königssohn.

GABRIELE.

Das frag' ich nicht, das frag' ich nicht.

Ist er denn brav und gut,

So brav und gut, als alle Leute sagen?

JÄGER.

Ich mein', ich mein', er ist ein treues deutsches Blut

Und seine Fehler sind wohl zu ertragen.

GABRIELE erfreut die Hände zusammenschlagend.

O das ist herrlich, o das ist herrlich, o das ist herrlich!

JÄGER.

Willst du zu ihm gehn?[48]

GABRIELE.

Und wär' es so?

JÄGER.

Dann sei auf deiner Hut,

Denn diese Schwäche muß man eingestehn,

Der Prinz soll gern nach hübschen Dirnlein sehn.

GABRIELE.

Da giebt's wohl andre, da giebt's wohl andre.


Bedeutsam.


Ist er auch gerecht?

Gilt gleich vor ihm der Ritter und der Knecht?

Wird, wenn sie einst zur Väter Gruft ihn tragen,

Der Günstling nicht, doch wohl die Waise klagen?

Sprecht, lieber Herr! sprecht, lieber Herr!

JÄGER.

So viel er weiß und kann, ich glaube, ja!


Er steht wie unter einem Bann.


GABRIELE besorgt und teilnahmsvoll.

Was ist Euch, was ist Euch, guter Herr?

JÄGER nähert sich ihr; scherzend und innig.

Dein Blick, mir zugewendet,

War Blitz und Schlag zugleich;

Mein Auge ist geblendet,


Er legt die Hand aufs Herz.


Hier traf der Feuerstreich.


Er umfaßt sie.


GABRIELE sich losmachend, gutmütig, schmollend.

Mein Blick, Euch zugewendet,

Traf nicht als Feuerstreich;

Wenn Ihr den Scherz nicht endet,

Entflieh' ich alsogleich!

JÄGER umfaßt sie wieder.

Dein Blick, mir zugewendet,

War Blitz und Schlag zugleich;

Mein Auge ist geblendet,


Wie oben.


Hier traf der Feuerstreich!

GABRIELE abwehrend.

Euch zugewendet,

Traf nicht als Feuerstreich;

Wenn Ihr den Scherz nicht endet,

Entflieh' ich alsogleich!


Sie reißt sich los und eilt an ihm vorüber nach rechts.


JÄGER sucht sie durch eine freundliche Bewegung zu beruhigen; nach einer Pause.

Sei gut, mein Kind;[49]

Jetzt kommt die Frag' an mich.

GABRIELE.

So fragt, so fragt.

JÄGER.

Was suchst du denn, gesteh' mir's ein,

Beim Prinzregenten? Drückt wohl ein Kummer,

Ein Kummer dich?

GABRIELE.

Gern sag' ich's nicht, doch muß es ja wohl sein.


Naiv verschämt.


Habt Ihr was Liebes, guter Herr?

JÄGER lachend.

Ich? Nein!

GABRIELE.

Ja freilich, dann ist's schwer.

JÄGER.

Je nun, es kann sich wohl noch finden.

GABRIELE verschämt.

Bei mir ist's aber schon vorbei.

JÄGER.

So laß mich ganz dein Herz ergründen,

So laß mich ganz dein Herz ergründen.

GABRIELE.

Denkt nur, ich hab' der Freier zwei.

JÄGER.

Wie, zwei?

GABRIELE.

Doch einen lieb' ich nur, einen lieb' ich nur.

JÄGER.

Ja so, ja so, jetzt komm' ich auf die Spur!

GABRIELE.

Der Rechte ging zum Prinzregenten,

Daß er beschütze unser Band.

JÄGER.

Was er begann, will ich vollenden,

Ich schütze dich, hier meine Hand!


Er reicht ihr die Hand.


GABRIELE verwundert.

Kennt Ihr den Prinzen so genan,

Daß ich wohl Eurem Wort vertrau'?

JÄGER.

Mein liebes Kind, erheitre dich,

Der Prinz thut manches gern für mich.

Erheitre dich, erheitre dich!


Er geht an ihr vorüber nach rechts; für sich.


Ich muß sie einem andern geben,

Mir blühet diese Rose nicht;


Er sieht sie an.


Doch hebt die Brust ein süßes Beben,

Schau' ich ihr holdes Angesicht.

GABRIELE für sich.

Soll ich der Hoffnung hin mich geben?

Die Wahrheit spricht sein Angesicht;[50]

Doch hebt die Brust ein süßes Beben,

Erfüllet sich, was er verspricht.

JÄGER für sich.

Ich muß sie einem andern geben,

Mir blühet diese Rose nicht;

Doch hebt die Brust ein süßes Beben,

Schau' ich ihr holdes Angesicht,

Schau' ich ihr holdes Angesicht.

Ich muß sie einem andern geben,

Mir blühet diese Rose nicht.

GABRIELE für sich.

Soll ich der Hoffnung hin mich geben?

Die Wahrheit spricht sein Angesicht.

JÄGER für sich.

Doch hebt die Brust ein süßes Beben,

Schau' ich ihr holdes Angesicht.

GABRIELE wie vorher.

Es hebt die Brust ein süßes Beben,

Erfüllet sich, was er verspricht.

JÄGER ebenso.

Doch hebt die Brust ein süßes Beben,

Schau' ich ihr holdes Angesicht.

Mir blühet diese Rose nicht, mir blühet diese Rose nicht.


Er steht in Nachdenken versunken.


GABRIELE geht zu ihm, treuherzig.

Warum so traurig, lieber Herr?

Was Ihr verspracht, fällt Euch wohl schwer?

JÄGER nähert sich ihr wieder; scherzend und innig.

Dein Blick, mir zugewendet,

War Blitz und Schlag zugleich;

Mein Auge ist geblendet,


Er legt die Hand aufs Herz.


Hier traf der Feuerstreich!


Er umfaßt sie.


GABRIELE sich losmachend, gutmütig, schmollend.

Mein Blick, Euch zugewendet,

Traf nicht als Feuerstreich;

Wenn Ihr den Scherz nicht endet,

Entflieh' ich alsogleich.

JÄGER umfaßt sie wieder.

Dein Blick, mir zugewendet,

War Blitz und Schlag zugleich;[51]

Mein Auge ist geblendet,

Hier traf der Feuerstreich.

GABRIELE entflieht an ihm vorüber nach rechts.

Mein Blick, Euch zugewendet,

Traf nicht als Feuerstreich;

Wenn Ihr den Scherz nicht endet,

Entflieh' ich alsogleich.

Sie reißt sich von ihm los.

Jäger folgt ihr, umfaßt sie und küßt sie auf die Stirn.

Die Hirten Vasco, Pedro und Ambrosio kommen mit starken Hirtenstäben von rechts hinten.


Quelle:
Conradin Kreutzer: Das Nachtlager von Granada. Leipzig [o. J.], S. 48-52.
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