Biographie

Lily Braun (Fotografie, 1910)
Lily Braun (Fotografie, 1910)

1865

2. Juli: Amelia Jenny Emilie Klothilde Johanna von Kretschman wird in Halberstadt als Tochter des preußischen Berufsoffiziers und späteren Generals Hans von Kretschman geboren. Die Familie lebt in den folgenden Jahren an den wechselnden Garnisonsstandorten des Vaters in Neiße, Potsdam, Karlsruhe, Berlin, Posen und Brandenburg.

Sie wird frühzeitig in die Welt des hohen und höchsten Adels eingeführt und verkehrt während der Berliner Jahre am Kaiserhof. Ihre Entwicklung wird nachhaltig durch ihre Großmutter Jenny von Gustedt beeinflußt.

1881

Bei einem Aufenthalt in Augsburg lernt sie erstmals die Welt des Proletariats kennen.

1882

Rückkehr zu den Eltern nach Schwerin.

1883

Sommer: Intensive Liebesbeziehung zu einem aus dem Hochadel stammenden Offizier. Die geplante Eheschließung scheitert an dessen Eltern, da Lily von Kretschman nur aus dem Schwertadel stammt. Ihr Vater wird zur Strafe nach Bromberg nahe der russischen Grenze versetzt.

1887

Der Vater wird zum General befördert und nach Münster in Westfalen versetzt. Übersiedlung der Familie nach Münster.

1889

Unter dem Eindruck der blutig niedergeschlagenen westfälischen Streikbewegung nähert sie sich den Positionen der seit 1878 (bis 1890) verbotenen Sozialdemokratie.

Sommer: Kaiser Wilhelm II. entläßt ihren Vater in einem Willkürakt in Ungnade aus dem Militär. Damit verbunden ist ein plötzlicher sozialer und finanzieller Abstieg der Familie. Auf Zuraten ihrer Großmutter beginnt Lily von Kreschman zu schreiben.

1890

Herbst: Übersiedlung der Familie nach Berlin.

1891

Erste literaturhistorische und literaturkritische Aufsätze erscheinen. Forschungsarbeit im Goethe-Schiller-Archiv in Weimar.

Bekanntschaft mit dem an den Rollstuhl gefesselten Berliner Philosophieprofessor und Sozialethiker Georg von Gizycki, durch den sie mit sozialistischen Theorien und den Werken von Karl Marx und Friedrich Engels vertraut wird.

1892

Ihr erstes Buch »Aus Goethes Freundeskreis« ist dem Andenken ihrer geliebten Großmutter Jenny von Gustedt gewidmet.

1893

Heirat mit Georg von Gizycki. Sie wird Mitherausgeberin seiner Zeitschrift »Ethische Kultur« und engagiert sich in der »Ethischen Gesellschaft«, in der sie u. a. Vorträge über das Frauenwahlrecht hält.

22. September: Begegnung mit Friedrich Engels in Berlin. Wenig später tritt Lily von Gizycki in die SPD ein.

1895

Tod von Georg von Gizycki.

Lily von Gizicky gibt die Herausgeberschaft der »Ethischen Kultur« auf und widmet sich ausschließlich der sozialdemokratischen Frauenbewegung.

Sie wird an der Seite von Minna Cauer Redakteurin der Zeitschrift »Die Frauenbewegung« und Vorstandsmitglied des Vereins »Frauenwohl«. Schon bald kommt es zu Spannungen zwischen der proletarischen und der bürgerlichen Frauenbewegung. Ihre Bemühungen um eine Vereinigung beider Bewegungen treffen auf beiden Seiten auf Widerstand. Der Führerin der sozialdemokratischen Frauenbewegung, Clara Zetkin, sind ihre Ansichten nicht radikal genug.

Helene Lange, die Führerin der bürgerlichen Frauenbewegung, verweigert ihr auf dem ersten Treffen aller Frauenvereine das Wort.

»Die Bürgerpflicht der Frauen« (politische Broschüre).

»Die Stellung der Frau in der Gegenwart« (politische Broschüre, basierend auf einem Vortrag in der »Gesellschaft für ethische Kultur«).

Bei einer Reise nach England lernt sie George Bernhard Shaw kennen.

1896

Heirat mit Heinrich Braun, der als Publizist und sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter um den Brückenschlag zwischen Arbeiterbewegung und geistiger Welt bemüht ist. Aus der Ehe geht ein Sohn hervor.

1899

An der Seite ihres Ehemannes tritt Lily Braun für den Revisionismus Eduard Bernsteins ein.

1901

»Die Frauenfrage, ihre geschichtliche Entwicklung und ihre wirtschaftliche Seite« (wissenschaftliche Monographie). Das Buch trifft bei allen Seiten auf Widerspruch. Clara Zetkin greift sie nicht zuletzt aus persönlichen Gründen scharf an, während August Bebel sie nachdrücklich unterstützt.

1903

Frühjahr: Intensiver Wahlkampf im Wahlkreis Frankfurt/Oder-Lebus. Bei den Reichstagswahlen am 16. Juni 1903 gewinnt Heinrich Braun den Wahlkreis.

Der Versuch von Lily und Heinrich Braun, ihre neugegründete Zeitschrift »Die neue Gesellschaft« als vom Parteivorstand unabhängiges sozialistisches Diskussionsforum zu etablieren, scheitert am Widerstand der Parteimehrheit. Auf dem Dresdener Parteitag der SPD werden Heinrich und Lily Braun als »Geschäftssozialisten« verleumdet. Die Zeitschrift muß bereits nach zwei Nummern ihr Erscheinen einstellen.

1905

Erneuter Versuch zur Herausgabe der Zeitschrift »Die neue Gesellschaft«, der 1907 aufgrund des Widerstands der Parteiführung wiederum scheitert.

Lily Braun wird Gründungsmitglied des von Helene Stöcker errichteten »Bundes für Mutterschutz«.

1906

Aufgrund der Teilnahme an einer Reise deutscher Journalisten nach England, an der Lily Braun als einzige Vertreterin der sozialdemokratischen Presse teilnimmt, muß sie sich (sowie ihr Mann) wegen »Parteiverrats« einem Parteiverfahren aussetzen. Lily Braun zieht sich in der Folgezeit von der Parteiarbeit zurück und widmet sich vor allem ihrer schriftstellerischen Arbeit.

1908

»Im Schatten der Titanen« (Zeitbiographie). Der Erfolg des Buches befreit sie von den ärgsten wirtschaftlichen Sorgen.

1909

Ihre aufsehenerregenden und vieldiskutierten »Memoiren einer Sozialistin« erscheinen (2. Band 1911).

1911

»Die Emanzipation der Kinder« (Essay).

1912

»Die Liebesbriefe der Marquise« (Roman).

1914

Den Beginn des Weltkriegs begrüßt sie mit nationalistischer Begeisterung.

1915

»Lebenssucher« (Roman).

In ihrem Pamphlet »Die Frauen und der Krieg« fordert sie eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen.

1916

9. August: Lily Braun stirbt im Alter von 51 Jahren in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls.

Buchempfehlung

Suttner, Bertha von

Memoiren

Memoiren

»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

530 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon