Erster Auftritt.

[162] HENLEY. Endlich habe ich ihn beruhigt – zum zweytenmale habe ich über den Granville triumphiert; doch ein schwer erstrittner Triumph! Ich sehe es, dieser geschäftige Freund wird mir noch das Opfer meiner Rache entführen. Klerdon wankt. Stolz und Gewissen kämpfen in ihm. Der Feige! er hat nicht das Herz ganz ein Bösewicht zu seyn. Doch, er soll es werden – und der gestrafteste dazu. Dieser Brief Er zieht einen Brief hervor. soll sein Verderben vollenden. – Aber wird er ihm auch glauben?[162] wird ihn die erkünstelte Hand seines Freundes auch hintergehen? Er kennt den Granville, den großmüthigen, den zärtlichen Granville. Wird er ihn auch zu einer solchen That für fähig halten? – Hinweg Zweifel! Klerdon ist stolz, hitzig, eifersüchtig. Ich herrsche über sein Herz; es muß mir gelingen. – Und gesetzt, es mißlingt: – dann werf ich die Maske hinweg, dann zeige ich mich ihm als seinen Todfeind, und in dem Augenblicke stoße ich ihm den Dolch ins Herz. Von seinem Blute noch rauchend eile ich zu seinem Freunde, und auch diesen – – – mich dünkt, es nähert sich jemand. Meine Hitze könnte mich verrathen.


Quelle:
Joachim Wilhelm von Brawe: Der Freygeist, in: Trauerspiele des_–, Berlin 1763, S. 162-163.
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