Zweyter Auftritt.

[195] Klerdon. Henley.


HENLEY heftig. Diese Treulosigkeit geht zu weit! dieser entsetzliche Frevel übersteigt alles! – Sie erblicken mich, Klerdon, ganz zerrüttet. – Der Zorn, das Erstaunen, vergönnt mir kaum zu reden.

KLERDON. Ihr Schrecken wird das meinige; wo kommen Sie her?

HENLEY. Von einer Scene voll Abscheu, voll Entsetzen. – Alles empört sich in mir, wenn ich ihrer gedenke. Diesen Augenblick sprach ich mit dem Granville – die Wut funkelt in Ihren Augen bey dem Namen dieses Treulosen; o möchte sie bald verdientes Verderben auf sein Haupt schleudern! – Kurz darauf, nachdem Sie der Verräther mit seiner Schwester verlassen, suchte er mich auf. Ich übergehe die schmeichelhaften Anträge, die seinen Brief bekräftigten. Er gestand,[195] er habe sich gezwungen gesehn seine Schwester, da Ihre Anwesenheit Ihnen zu seinem Verdrusse zur Unzeit wäre bekannt worden, zu Ihnen zu führen. Er hoffte indessen durch seine Liebkosungen und Versicherungen allem Argwohn vorgebeugt, und Ihre einfältige Gutwilligkeit, wie er sich ausdrückte, genugsam eingeschläfert zu haben. Nach vielen Reden, die so voll bittrer Spöttereyen über Ihr jetziges Unglück und unbändiger Rachsucht gegen Sie waren, daß ich mich, sie zu wiederholen, scheue, eröffnete er mir, die Sicherheit seiner Absichten erfodere, daß er diese Nacht mit seiner Schwester in der Stille von hier aufbräche; ich möchte ihm folgen, unsre Verbindung sollte sodann, sogleich an einem Ihnen unbekannten Orte vollzogen werden; und hierauf, wollte er zurück kehren, um den Rest Ihrer Hoffnungen durch den Anblick aller Ihnen nun geraubten Mittel, aus ihren Bedrängnissen sich zu retten, vollends niederzuschlagen. Er frohlockte bereits – –

KLERDON. Wo verließ er Sie?[196]

HENLEY. Er gieng in die schattigten Gänge dieses Gartens, vielleicht daselbst seiner Rache – –


Klerdon eilt wütend ab.


Quelle:
Joachim Wilhelm von Brawe: Der Freygeist, in: Trauerspiele des_–, Berlin 1763, S. 195-197.
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