Erster Auftritt


[136] Abend, ein Licht.

Eine kleine bürgerliche Stube in Valerios Haus mit einem Kamin. Ponce, in einer reichen venetianischen Maske, schwarz mit Brillant-Knöpfen, steht auf einem Tabouret; Valeria, die ihn geputzt hat, kniet vor ihm und zupft ihm die Schleifen an den Schuhen und Beinkleidern zurecht. Ponce ist durch und durch launig, kalt, und gut in dieser Szene zu nehmen.


VALERIA sieht an ihm in die Höhe, und nickt. Ponce?

PONCE. Und? – Wird es bald ein Ende? Man darf euch Mädchen nur unter die Hände kommen, so wird man gleich oder nimmer fertig.

VALERIA. Nimmer, meiner Liebe zu dir wird nimmer ein Ende, ich könnte mein Leben damit zubringen, dich zu putzen – ach! und ich würde nicht fertig. –

PONCE. Putze lieber einmal das Licht.

VALERIA sie tut es. Du hast recht, so kann ich dich noch besser bewundern, du bist doch gut, daß du das sagst. –

PONCE. Ich bitte dich, stelle dir nichts zu Großmütiges von mir vor; es war der bloßen Dunkelheit wegen, und damit ich schneller von dem dummen Stühlchen herunterkomme. Nun bin ich gut genug?

VALERIA. O wie bist du! – Du bist ordentlich zu gut für den Ball, Beleuchtet ihn. steige nur herunter.

PONCE. Zu gut für den Ball, zu gut für mich, zu gut für die ganze Welt. Er setzt sich. Mache nur den Mantel fertig; es ist Zeit, daß ich gehe.

VALERIA näht an dem Mantel. Zu gut für die ganze Welt? Ponce, ich bin auch auf der Welt.

PONCE O ja! aber höre, erzähle mir etwas anders. VALERIA. Du hast recht, du hörst das schon so lange, ich weiß auch gar nichts mehr als von dieser Liebe. Doch – erwartet Ihr Don Felix noch auf dem Balle?

PONCE. Aquilar hat den Ball angestellt, damit Felix Lucillen gleich bei seiner Ankunft bequem sprechen kann, denn er ist[136] ein sehr bequemer Liebhaber. Lucillen wird er aber nicht finden; Gott weiß, was ihre Tante bewogen hat, sie zurückzuhalten. Bist du bald fertig?

VALERIA hängt ihm das venetianische Mäntelchen um. Hier – wie bist du nun schön, und wie durch und durch maskiert – die Locken verstellen dich und verschönern dich – ach!

PONCE. Was fehlt?

VALERIA. Wenn nun eine andre die Reihen so mit dir durchfliegt und deinem Herzen so nahe ist, und ich bin es nicht, – o! ich möchte auch auf diesem Balle sein, nur sehen, wie du tanzest und alle Augen dir nachgehen; nur in einem Winkelchen möchte ich stehen und für mich sagen: Der Schatz in seinem Herzen ist mein, alle die Edelsteine auf seinem Wamse sind nicht mein, aber er, er selbst ist mein.

PONCE. Was liegt dir daran, wenn ich andern gefalle? Sei zufrieden, wenn ich dir gefalle.

VALERIA. Du mir – und Valeria, wem?

PONCE. Natürlich jedem, der schöne Mädchen liebt, und also – Er küßt sie.

VALERIA umfaßt ihn. Du liebst mich – o Ponce, was wird das werden, daß ich mich nicht vor diesem Putze fürchte, den ich so sorgsam ordne und dann nicht schone, dich zu umarmen. – Du schweigst?

PONCE windet sich los. Mache fort, Liebe, ich muß weg.

VALERIA. Dieser Putz ist eine Maske, Ponce, du liebst mich nicht, du hast dich nur maskiert, und ich habe geholfen, mich selbst zu betrügen.

PONCE. Gut dann – ich liebe dich, weil du mich so hübsch maskierst.

VALERIA traurig. Ach, und ich maskierte dich, weil ich dich so sehr liebe.

PONCE. Sei ruhig, Liebe, ich kann ja nicht mit dir gerührt werden, Masken können ja nicht weinen.

VALERIA. Aber ihre Kälte kann weinen machen – Wendet sich weg.

PONCE umfaßt sie. Wie bist du nun, läßt du mich da stehen! Wo ist der Spiegel, ich will sehen, wie du mich so hübsch geputzt hast, und dich – ja, und dich loben.[137]

VALERIA. Ich habe keinen Spiegel mehr, der Vater hat ihn mir zerschlagen.

PONCE. Ei! so will ich mich in deinen Augen spiegeln.

VALERIA. Die sind trübe, und die Tränen sind dein.

PONCE. Mein? So gieb mir sie wieder – Küßt ihr die Augen. Warum hat der Vater denn deinen Spiegel zerschlagen?

VALERIA. Er sagt, ich studiere immer Mienen vor dem Spiegel, um dir zu gefallen, und zerschlug ihn letzthin. Da er gehört hatte, Porporino sei in den Krieg, weil ich ihn nicht mehr so sehr liebte, nahm er den Spiegel, brachte ihn vor mich und sagte: Wie siehest du aus, wenn du an den Ponce denkst? Da sah ich treuherzig hinein, und er mit, und als er sah, wie ich so selig hineinsah Sie sieht freundlich nach Ponce. – sieh, so sah ich hinein – da warf er den Spiegel an den Boden und sagte: So zertrümmre das Gesicht, das du für den Ponce machst, und wenn du es noch lange machst, wird es dir auch gehen wie dem Spiegel. Ist das wahr, Ponce?

PONCE. Dein Vater soll ein sehr exemplarischer Mensch sein, und ich halte viel auf seine Wahrheit.

VALERIA. Ponce, du bist boshaft, oder ich sehr unglücklich.

PONCE. Du bist ja nicht von Glas, du wirst nicht zerbrechen. Hast du denn kein Stückchen von dem exemplarischen Spiegel mehr? Es ist ja ein wahrer Beichtspiegel; ich möchte gern sehen, wie ich geraten bin.

VALERIA. Gut geraten, und ungeraten – in meiner Kammer steht am Fenster ein Stückchen Spiegel.

PONCE. In deiner Kammer? Ich mochte wohl manchmal drinne sein.

VALERIA beleidigt. Pfui, Ponce.

PONCE. Sei zufrieden, ich will nachsehen.

VALERIA faßt ihn bei der Hand. Ich will dich führen, du findest dich nicht.

PONCE. Noch einmal, wer euch Mädchen in die Hände fällt, wird nimmer fertig.

VALERIA. Noch einmal, ich finde meiner Liebe kein Ende.

PONCE. Ich will allein suchen – bleibe. Ab.[138]


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 136-139.
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