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[232] Ponce hat den Brief in der Hand, Isidora sitzt auf der andern Seite der Statue; er bemerkt sie nicht.
PONCE sieht in den Brief. Sind diese Worte nicht freundlich – sind sie nicht flehend? Und hat sie denn kein Herz? – Ach! ist die Liebe dann nur stumm, und ist die Sprache nur fürs tote eben? O dann verstumme, armer Mann – o dann verwandle mich, allmächtger Gott! – Laß mich zur Blume werden, die ihr entgegenduften darf, zur stillen Lilie, die an ihrem Fenster blüht; die Sonne sollte mich nicht erschließen, nur ihrem Auge wollt ich die stumme Lippe öffnen – Er sieht die Statue des Apoll an, hinter der Isidora sitzt. O wäre ich des ernsten Gottes Bild, der sanfte Todespfeile sendet, der alles Lebens, aller Liebe Zauberei beherrscht, der Lieder giebt und Töne, sie würde dann an mir vorübergehen und ihr Gemüt an mir erheben, und ihre heiligsten Gedanken dächte sie vor mir – o Isidora!
ISIDORA leise und schüchtern hervortretend. Wer ruft?
PONCE steht stumm, läßt den Brief fallen. O heiliger Gott! du bist es!
ISIDORA hebt den Brief auf. Hier Euer Brief –
PONCE. So gebt Ihr zweimal ihn zurück?
ISIDORA. Er ist nicht mein.
PONCE. Ach, alles, alles ist ja Euer – nur ich allein nicht.
ISIDORA. Euer Unglück schmerzt mich sehr!
PONCE. O alles, alles habt Ihr hingenommen, das ganze Leben habt Ihr gefangen – reizende Sennora – und ich allein, ich stehe bodenlos, und himmellos – und steig und sinke, – bloß ein trauriger Gedanke.
ISIDORA. Ruht, seid nicht heftig, sprecht gelinde! Auf stillen Wegen flieht der Schmerz allein.
PONCE. Wie still seid Ihr – und ach, mein Schmerz, er ruht auf Euch!
ISIDORA. Ihr bewegt mich.
PONCE. So laßt ihn fliehen, meinen Schmerz!
ISIDORA. Ihr seid krank, mein Freund.[232]
PONCE. Krank und doch im ewigen Genesen, – denn nimmer einzig Heil! wollt Ihr mich heilen!
ISIDORA. Ihr ängstigt mich – ich bin nicht Eure Liebe – Ihr liebtet mich nicht – ich bin Isidora de Sarmiento – lieber Freund – aber zürnet nicht auf mich. Ab.
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Ponce de Leon
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