Fünfter Auftritt


[217] Vorige, Isidora, Melanie.

Aquilar will auf alle Weise aufstehen, Isabella hält ihn zurück – Ponce geht Isidoren gerührt entgegen, und küßt ihr die Hand.


ISABELLA zu Aquilar. Nehmt eine Grenze der Höflichkeit, Eure Krankheit entschuldigt Euch.

AQUILAR. O laßt mich meine Pflicht tun!

ISABELLA. Isidora, Melanie, der kranke Herr möchte euch seine Verehrung bezeugen, ihr entschuldigt ihn. Sie neigen sich.

PONCE zu Isidora. Eure Güte ist unendlich, Fremdlinge zu besuchen.

ISIDORA. Wir besuchen hier den Kranken, das ist Pflicht.

PONCE. O wüßtet Ihr, wer hier der Kränkste wäre, und verweiltet!

ISABELLA zu Ponce. Ich bitte, zerstreut Euch – Ihr werdet uns so auch noch krank.

MELANIE zu Aquilar. Ihr befindet Euch besser als heute früh?

AQUILAR. Durch Eure Gegenwart unendlich – aber eigentlich schlechter – das Ei von heute morgen –

ISABELLA. Hat Euch krank gemacht. – Ja, es liegt schwer im Magen – aber gleich soll der Wundarzt nach Euch sehen.

ISIDORA zu Ponce. Ist die Wunde wirklich bedeutend?

PONCE. Ich weiß es nicht – ich hoffe es nicht – o Sennora! verzeiht mir.

AQUILAR. Ich muß ein für allemal sagen, meine Wunde ist zu unbedeutend, daß sie berührt werde.[217]

ISIDORA zu Ponce. Ich verstehe Euch nicht, lieber Freund. Ich soll Euch verzeihen, was?

PONCE. Daß ich gestern in Euren Armen lag, daß ich so glücklich war –

ISIDORA. Um Gottes willen! was sprecht Ihr – seid Ihr krank bedenket, wo Ihr seid.

PONCE. O leider, leider, ich bin nimmer hier willkommen!

ISIDORA. Ach, liebe Tante, dieser Jüngling ängstigt mich; ich glaube, er ist krank.

ISABELLA. Was fehlt Euch, der Schrecken hat Euch doch kein Fieber zugezogen?

PONCE faßt Isidora. O schweigt, um meiner Liebe willen schweigt, verschweigt mein Unglück!

ISIDORA macht sich los. O laßt mich – Tante, seht – seht!

ISABELLA. Gehe, mein Kind – rufe schnell den Arzt.

PONCE. O gehet nicht, o bleibt, damit mein Arzt und meine Krankheit mich nicht fliehen – Isidora ab.


Isabella hält Ponce rückwärts die zwei Arme.


PONCE. O laß mich, ihr versteht mich alle nicht!

AQUILAR den nun Isabella verlassen, springt lustig auf. Gott sei Dank! nun habe ich etwas Luft.

ISABELLA. Melanie, halte ihn – den Blessierten, halte ihn – Hülfe! Hülfe!

MELANIE faßt Aquilar schüchtern ebenso; er ist gelassen. Wenn ich nur halten kann, ich habe das noch nie getan.

AQUILAR. Ihr könnt es schon, o schönes Fräulein, Ihr könnt mich ewig halten.

MELANIE. Seid ruhig, um Gottes willen, setzt Euch, lieber –

PONCE vor sich hin, immer gehalten. Grad ausgestreckt schläft sie, und denkt an Gespräche für ihren künftgen Gatten – o holdes Bild – dein künftger Gatte, er stirbt durch mich, oder ich durch ihn. –

ISABELLA. Ums Himmels willen, welche Phantasien!

MELANIE. Meiner ist ganz ruhig, ich lasse ihn los.

AQUILAR. Los? Bei Gott, laßt mich nicht los, sonst werde ich ein loser Vogel! Wie seid Ihr doch so hold, und wär ich hundert Meilen von Euch, Ihr hieltet mich, seit ich Euch sah. Aber[218] ach, ein anderer Hunger bricht in mir hervor! Er will sie umarmen.

MELANIE. Um Gottes willen, Tante, er wird auch närrisch!

ISABELLA. Halte ihn nur fest, – daß er in der Raserei nicht entwischt.

AQUILAR küßt sie. O welcher Blitz, der rückwärts schlägt!

MELANIE läßt ihn los, läuft fort; Aquilar nach. Jesus – Jesus –

PONCE. O Fernand, bleibe – Reißt sich los.

ISABELLA. Da ist der Verwundete entwischt. Läuft ab, schließt die Türe zu.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 217-219.
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