Fünfter Auftritt.

[53] Osmin und ein schwarzer Stummer öfnen die Thüre von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaftrunken hat eine Laterne. Der Stumme giebt Osmin durch Zeichen zu verstehen, daß es nicht richtig sey; daß er Leute gehört habe, u. s. w.


OSMIN.

Du hörtest Lärmen? –[53]

Vermuthlich schwärmen

Dieb und Mörder um das Haus. –

Geh, marschire,

Spionire

Hurtig, hurtig sie mir aus!

Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Hausthüre gelehnt, steht und nickt.


OSMIN.

Gift und Dolch! ich bin verloren;

O man hat mir Tod geschworen:

Ach, man steigt mir gar ins Haus!


Er tummelt sich herum: weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stößt er sich hier und da etc.


O weh! o weh!

Hurtig die Wache!

Geh, geh, geh, geh!

Rühr' dich und mache

Alles darnieder:

Komm dann bald wieder,

Schlag alles todt!

Der Stumme ab.

[54] Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kommt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen, und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu:


BLONDE.

Himmel, Pedrillo!

Wir sind verloren.

Pedrillo sieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn und steigt wieder zum Fenster hinein.


PEDRILLO.

Ah! welcher Teufel

Hat sich verschworen.

OSMIN auf der Leiter dem Pedrillo nach; ruft:

Blonde! Blonde!

PEDRILLO im Hineinsteigen zu Blonden.

Zurück, nur zurück!

OSMIN.

Räuber! Räuber!

BLONDE.

Verwünschtes Geschick![55]

OSMIN steigt wieder zurück.

Welch ein Getöse! –

Welch ein Geräusche! –

Hülfe, o Hülfe!

Das sind die Räuber,

Hurtig, Soldaten,

Kommt eilig herbey;

Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Hausthüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter, und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.


PEDRILLO UND BLONDE im Abgehen.

Himmel, o Himmel,

Wären wir frey!

OSMIN der sie bemerkt.

Zu Hülfe! zu Hülfe!

Gewalt! Gewalt!

Er will nach.


WACHE mit Fackeln halten Osmin an.

Halt, halt!

OSMIN.

Dorthin, ihr Herren.

WACHE.

Willst du dich sperren?[56]

OSMIN.

Gelt keinen Pardon!

WACHE.

Du sollst nicht davon.

Sie wollen ihn fortführen.


OSMIN.

Ihr irrt euch,

WACHE.

Ey nicht doch!

OSMIN.

Ich rief euch;

WACHE.

Ey seht doch!

OSMIN, der sich immer loszumachen sucht.

Dorthin, ihr Herren!

WACHE.

Willst du dich sperren?

OSMIN.

Gebt keinen Pardon!

WACHE.

Du sollst nicht davon!

Sie wollen wieder fort mit ihm.
[57]

OSMIN.

Gewalt! Gewalt!

WACHE.

Halt! Halt!

Der Stumme kommt zurück.


OSMIN zum Stummen.

Ali komm doch und bedeute,

Diese unverschämten Leute

Schleppen sonst mich selbst davon.

Der Stumme sucht sie zu bedeuten.


EINER VON DER WACHE.

Ah! wenn das ist, laßt ihn gehen,

Nachts kann Irrthum leicht geschehen:

Sieh, da bringen sie sie schon.

Ein Theil der Wache bringen Pedrillo und Blonde.


OSMIN.

Ist es möglich!

Wach' ich, träum' ich?

Seyd ihrs beyde?

Hurtig, Leute,

Gleich herunter mit dem Kopf![58]

PEDRILLO.

Ich armer Tropf.

OSMIN.

Nun kann ich mein Müthgen kühlen;

Sollst nun meine Rache fühlen;

Seh dich künftig ohne Kopf.

PEDRILLO.

Ich armer Tropf!

Ein andrer Theil der Wache, auch mit Fackeln, bringen Belmonte und Konstanze; Belmonte widersetzt sich noch.


BELMONTE.

Schändliche, laßt mich!

WACHE.

Gieb dich, ergieb dich!

OSMIN.

Haltet ihn fest!

WACHE.

Ha! wie verwägen,

OSMIN.

Schleppt ihn zum Bassa!

WACHE.

Zog er den Degen![59]

OSMIN.

Haltet ihn fest!

BELMONTE.

Schändliche, laßt mich!

WACHE.

Gieb dich, ergieb dich!

OSMIN.

Haltet ihn fest!

BELMONTE UND KONSTANZE.

Seht den Beutel voll Zechinen.

OSMIN UND WACHE.

Wie? Ihr wolltet euch erkühnen?

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Ey, so laßt mich / ihn doch nur reden!

OSMIN UND WACHE.

Nicht ein Wort! nicht ein Wort!

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Kann euch unser Unglück dienen?

OSMIN UND WACHE.

Wie? Ihr wolltet euch erkühnen?[60]

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Rehmt den Beutel voll Zechinen.

OSMIN UND WACHE.

Schleppt sie fort! schleppt sie fort!

BELMONTE UND KONSTANZE.

Habet Mitleid!

OSMIN UND WACHE.

Nicht ein Wort!

PEDRILLO UND BLONDE.

Habt Erbarmen!

OSMIN UND WACHE.

Schleppt sie fort!

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Kann euch unser Unglück dienen?

OSMIN UND WACHE.

Ah, Berräther! so verwegen,

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Nehmt den Beutel voll Zechinen.[61]

OSMIN UND WACHE.

Uns zu drohen mit dem Degen!

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Habt Erbarmen!

OSMIN UND WACHE.

Marsch zum Bassa!

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Halt, Barbaren! nur ein Wort!

OSMIN UND WACHE.

Kein Erbarmen; schleppt sie fort!

KONSTANZE UND BELMONTE.

Laßt so vielen Schmerz euch rühren!

PEDRILLO UND BLONDE.

Laßt euch unser Unglück rühren!

OSMIN.

O wie will ich triumphiren!

PEDRILLO.

Ich will gern kapituliren.

Ach, man wird mich stranguliren![62]

OSMIN UND WACHE.

Hier hilft kein Expostuliren;

Wirst gar niedlich figuriren.

WACHE.

Marsch! marsch! marsch!

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

Halt! halt! halt!

Laßt euch erweichen!

OSMIN UND WACHE.

Marsch! fort zum Bassa!

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO UND BLONDE.

O haltet ein!

OSMIN UND WACHE.

Nein, nein, nein, nein![63]


Quelle:
Johann André: Belmont und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Leipzig 1781, S. 53-64.
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