1. An die Eltern

1. An die Eltern


[Ebergötzen, nach Weihnachten 1841]


Theure Eltern!

Ihr habt gewiß schon lange nach einem Briefe von mir ausgesehen, und ich habe auch oft im stillen daran gedacht, wie lieb Euch eine kleine Nachricht von mir sein würde. Aber da ich noch nicht ganz ohne Onkels Hülfe an Euch schreiben kann, Onkel aber seit einiger Zeit so viel zu thun hatte, daß ich ihn nicht mit meinen Bitten zur Last fallen wollte, so habe ich meinen Brief bis nach dem Feste verschoben, schreibe nun aber auch gleich und laße Euch nicht länger auf ein Lebenszeichen von mir lauren. Es geht mir immer noch gut, und es hat mir, so lange ich hier bin, noch kein Finger weh gethan. Die Festtage habe ich ziemlich still hingebracht. Am Christabend erfreute mich Euer liebes Geschenk außerordentlich; ich hatte auch ein neues Habit sehr nöthig; denn eine meiner Hosen war mir gar zu eng und kurz geworden und dazu sehr zerrißen, deshalb kam mir die neue Hose sehr erwünscht; auch über das schöne Buch mit dem hübschen Einbande habe ich mich sehr gefreut und will auch recht viel daraus lernen. Ich war aber der Einzige, dem der Christmann seine milde Hand aufgethan hatte, denn weder Onkel, noch Tante, noch der kleine Junge haben etwas bekommen. Den ersten Festtag Nachmittag brachte ich bei meinem Freunde Erich, dem Sohne des Müllers Bachmann zu, denn Onkel hatte eine Kindtaufe in Radolfshausen bei dem dortigen Obervogte, wohin ich nicht mitgehen konnte. Am zweiten Weihnachtstage waren wir nach dem Amte eingeladen, und da ich daselbst mehre Kinder traf, war ich sehr vergnügt. Ich habe jetzt in einem Theile meiner Stunden, nämlich Nachmittags, noch einen Gefährten bekommen, wodurch es sich um so beßer lernen läßt, weil der eine es immer noch beßer machen will, als der andere. Ferien haben wir aber in dieser Zeit nicht gehabt; bloß den letzten Tag vor den Festtagen hatten wir keine Stunden. Wir gehen aber auch eben so gern in die Stunden, als daß wir frei haben.

Ich möchte Euch auch gern eine kleine Freude zum Feste gemacht haben, aber meine Kräfte sind dies Jahr noch zu gering, um irgend etwas hervorzubringen, was Euch wirklich Freude machen könnte; nächstes Jahr soll es hoffentlich schon beßer gehen. Um Euch aber doch einen kleinen Beweis zu geben, daß ich in Ebergötzen nicht so dumm geblieben, als ich hingekommen bin, und daß ich meine Zeit nicht müßig hingebracht habe, schicke ich Euch diejenigen Bücher, die ich bisher vollgeschrieben habe. Aller Anfang ist schwer, das werdet Ihr auch an meinen schriftlichen Arbeiten erkennen; aber ich tröste mich mit dem Sprichworte: mit der Zeit bricht man Rosen, und verliere darum die Geduld nicht, wenn's auch langsam geht. – Wir hatten lange keine Aussicht zum Winter; jetzt ist er aber recht kräftig erschienen. Leider sind die Wintervergnügen hier nur gering, da man hier gar kein Eis zum Gleiten hat. Meine lieben Geschwister sind jetzt gewiß immer auf dem Eise und laßen sich die Hände braun frieren. Wie geht es denn Großmutter, sie ist gewiß mit dem schönen Wetter sehr zufrieden gewesen, was wir bisher gehabt haben; ich grüße sie,[1] meine liebe Schwester und meine lieben Brüder, Onkel Heinrich, Tante Lisette, und Euch recht herzlich und bleibe Euer

Euch liebender Sohn

W. Busch.


1. An die Eltern: Faksimile Seite 1
1. An die Eltern: Faksimile Seite 1
Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 1-2.
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