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[62] 1045. An Grete Meyer
Wiedensahl 7. Nov. 95.
Liebe Grete!
Ich danke dir für den nüdlichen Brief, den du mir neulich geschrieben hast. Ich ersehe daraus mit Vergnügen, daß ihr im Hauswesen eine hochlöbliche Thätigkeit entwickelt, wozu, scheint's, Martin, der kleine Arbeitgeber, sein gutes Theil mitwirkt, indem er euch fleißig ermuntert und euch täglich Gelegenheit bietet, euere nützlichen Künste zu üben.
Ein kleines Theatervergnügen inzwischen nach alle dem war dir wirklich zu gönnen. Hier bei uns war nur Puppentheater. Vielleicht wär auch ich mal hineingegangen, hätt ich mich nicht geforchten vor den greulich schreck-[62] haften Gestalten, die alle Täuschung verhindern, weil sie so groß sind, fast wie wirkliche Menschen. Aber den Bauern und Kindern imponiert das grade.
Unser Wetter letzther war meistens ganz frühlingsmäßig. Die Rosen sind noch nicht niedergelegt. Das Land ist zur Hälfte schon umgegraben und unter gütiger Beihülfe von Leitner seinen Schweinen, Kühen und Pferden sogar saftig gedüngt; eine Erquickung und Stärkung, nach der es sich seit Jahren vergeblich gesehnt hat. So sieht's denn im Garten aus, als schrieben wir März. – Freilich in den letzten Nächten hat's stürmisch geweht. Die Kastanie verlor ihre Blätter dabei. Dadurch ist die Döntze vornhinaus viel heller geworden, was ja dankenswerth bei den immermehr kürzeren Tagen. Bald kommt der Schnee, und wenn wir so recht mitten drin sitzen, dann kommst du, hoff ich, doch auch.
Vorerst jedoch möcht ich auf einige Tage nach Frankfurt und auf dem Rückweg nach Hattorf fahren.
Leb wohl, liebe Grete! Grüß Tante, Else, Otto, Martin, und sei selber herzlich gegrüßt von
deinem getreuen Onkel
Wilhelm.
Frl. K. läßt gleichfalls grüßen.