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[76] 1081. An Grete Meyer
Wiedensahl 11. Sept. 1896.
Liebe Grete!
Was hilft's? Ich muß dir wohl wieder mal recht geben: Oben zwei schmälere Blumenblättchen, unten drei breitere; bei beiden. Aber das eine ein kümmerlich winziges Gewächschen und blau, das andre von hoher, schlanker Geschtalt und roth, so daß doch eigentlich kein verständiger Mensch sich denken konnte, es wären beides Lobelien.
"Na, von mir aus, so sak halt Lobehli!"
Wer friedlich ist und gutgesinnt,
Sagt immer: Du hast recht, mein Kind!
Warum sollte auch ein braver Onkel seiner liebenswürdigen Nichte nicht ein Vergnügen machen, wenn's nichts kostet?
Von Hunteburg kam gute Nachricht nebst Martin's Photographie, worüber wir uns recht gefreut haben. Hoch und alleinig (daß er aber nur ja, ja nich herunter fällt!) sitzt er da auf seinem Thrönchen.
Du selbst machst jetzt gewiß viel musikalischen Lärm; Vater eilt auf's "Büroh"; Mutter schleicht sich weg auf den Markt; Newels ihr Hund wird plömerant und singt:
Hurrjeh, was hör ich da!
Wär meine Kette nicht von Eisen,
So wollt ich wol sogleich verreisen
Bis nach Amerika!
- Doch Scherz apart, liebe Grete! Hoffentlich schreibst Du mal wieder so hübsch anschaulich, was du treibst: Vor dem Tongehäuse, in der Kuchel und draußen herum in der Stadt, wo's immer so bimmelt.[76]
Inzwischen tausend herzliche Grüße von Tante und deinem alten
Onkel Wilhelm.
Hat's denn bei euch auch recht geblitzt und gedunnert und geregnet? Diese letzten zwei Tage? Vorgestern Abend, obwohl's bereits etwas grummelte in Südwest, gingen wir harmlos zu Bett. Nach kaum einer halben Stunde saßen wir oben in Tantens Stube wieder beisammen, wie drei verschüchterte Täubchen. – Doppelt ängstlich ist aber so was für den, der sein Grummet noch draußen hat, oder die, die ihren neuen Hut spatzieren führt und hat keinen Regenschirm bei sich.