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[114] 1163. An Nanda Keßler
Wiedensahl 12. Nov. 97.
Meine liebe Nanda!
Sei bedankt für deinen freundlichen Brief. – Der Entenmord hat euch entrüstet. Ja, wenn so was in der Nähe paßirt, dann greifts an die Nerven. Für den Augenblick nur. Man lebt halt weiter wie bisher, verzehrt seinen Braten mit bestem Appetit und ermuntert die Herren Metzger, die ehrsamen Thierschinder, zur Fortsetzung ihres beliebten und höchst profitabelen Handwerks. Der Hehler, sagt das Sprichwort, ist so gut wie der[114] Stehler. Da übrigens viele Millionen denkender Wesen, dahinten auf der Erdkruste, schon von uralters her das Verputzen der "Leichen ermordeter Thiere" als ekelhaft ablehnen, da ferner neuerdings auch schon anderswo Millionen daßelbe thun, so läßt sich vielleicht vermuthen und hoffen, daß in tausend oder zehntausend Jahren die Leute allgemein anständig und sauber genug geworden sind, um unsere jetzigen Mahlzeiten ebenso cannibalisch zu finden, wie wir die der Wilden, denen ein saftig gebratener Mitmensch noch immer vorzüglich schmeckt.
Deine häuslichen Decorationsveränderungen werden dich angenehm zerstreun, und weil du sie selbst anordnest, wirst du selbst damit sicher zufrieden sein.
Wie ist's denn mit der Radreiterei? Wird emsig gestrampelt? Das Wetter ist ja potzwunderbar günstig dazu – der Boden trocken – die Sonne schmunzelnd mit gewinnender Freundlichkeit.
Leb wohl, liebe Nanda! Bleibt alle gesund!
Es grüßt dich herzlich dein alter Onkel
Wilhelm.