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[125] 1185. An Else Nöldeke
Wiedensahl Sonntag 17. Apr. 98.
Liebe Else!
Ich muß gestehn, daß ich auch etwas enttäuscht bin. Zuerst, als Otto sich bewarb, hatt ich meine Bedenken. Das Nest kannt ich lange; als stockkatholisch, als ärmlich und eng gebaut, als berüchtigten Brandort. Jeder graute sich davor. Karl Nöldeke aus Göttingen, der mal als Referendar oder Aßeßor hin sollte, hat's nur mit großer Angst und Mühe von sich abgewendet. Ich dachte dann aber an das wirklich hübsche Pfarrhaus; die Schulverhältniße haben sich ja auch geändert; Hattorf liegt nahe; und so war mir die Sach allmählig plausibel geworden. Wir wollen nun getrost das Faß zuschlagen.
Die Meerbecker, die ihre Kirche ausbeßern wollen, halten so lange Kirche in einer Scheune auf den Horsthöfen.
Unser Herr Pastor, neuerungsfreudig, wie er ist, hält nun, hör ich, in jedem Falle eine Rede im Trauerhause und geht von da mit zum Kirchhofe, läßt aber die Kinder nicht mehr singen. Eine andere Neuerung scheint weniger zu gefallen: Die Pachtgelder müßen zu einem bestimmten Tage an Heine abgeliefert werden; wer nicht kommt, zahlt Strafe.
Unser Herr Doctor, so wird mir jetzt berichtet, ist übrigens nicht mit dem Rade gefallen, sondern hat Rheumatismus. Sein Lahder Kollege vertritt ihn.
Die Veränderung in eurem Garten scheint mir gut; nur wird die Beerenerndte nicht weit her sein für dieses Jahr. – Otto, denk ich, sitzt nun bald auf dem Rad und übt erst mal im katholischen Wäldchen.
Bei uns hier grünt alles langsam heran. Die Sonne scheint zu wenig. Heut kommt der Wind, doch nicht kalt, von Norden.
Von gestern früh bis nachmittags war ich nach Hannover: Zuerst kurz etwas Regen, dann freundliches Wetter.
Leb recht wohl, liebe Else! Meinen Dank, auch an Otto, für die Briefe. Martin ist hoffentlich wieder munter.
Herzliche Grüße an euch Alle!
Dein getr. Onkel
Wilhelm.