1215. An Erich Bachmann

[138] 1215. An Erich Bachmann


Mechtshausen b. Gr. Rhüden

Montag v. Weihnachten 98.


Lieber Erich!

Deinen Brief hab ich dankend erhalten.

Unser Post- und Bahnort ist Gr. Rhüden 1/23/4 Stunden von hier; nach Seesen ist's anderthalb Stunden. Leider ist die Bahn von Seesen über Gr. Rh. und weiter nach Hildesheim bloß Klingelbahn, die vielfach schlechten Anschluß hat. Daher kann man, wenn auch die Entfernungen z.B.[138] nach Hattorf und Gieboldehausen nur gering sind, doch nicht so schnell reisen, wie man meinen sollte.

Mechtshausen ist ein wohlhabendes Dörflein von etwa 400 Einwohnern; das noch kleinere Bilderlah nebst Domäne gehört hierher zur Kirche. Östlich im Thal fließt das muntere Bächlein Nette; von da steigt der Boden sanft bis zum Heber, der langgestreckt, wie der Rodenberg, von Süden nach Norden geht und schön mit Wald bestanden ist. Vom großen neuen Pfarrhause geht man nur wenige Minuten bis dahin. Aus dem weitläufigen Obst- und Gemüsegarten sieht man in die Harzberge. Der Garten ist ganz verwildert. Von den fünfzig alten Kirschbäumen sind vorläufig fünfundzwanzig abgehauen, um Luft zu machen.

Uns geht es gut, bis auf meine Schwester, die seit mehren Wochen zu Bett liegt. Aus einer Verletzung an der Hand war Blutvergiftung entstanden, so daß die Drüsen unter der Achsel geschnitten werden mußten. Nun wird's beßer.

Von meinem Besuch in Hattorf und Ebergötzen wird wohl zunächst nichts werden. Im Januar muß ich wahrscheinlich nach Hannover und Wolfenbüttel.

Leb wohl! Vergnügte Festtage! Herzliche Grüße!

Dein getr. Freund

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 138-139.
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