1228. An Grete Meyer

[143] 1228. An Grete Meyer


Mechtshausen Montag 17 April 1899.


Liebe Grete!

Sei bedankt für die zwei angenehmen Briefe.

Vorigen Dienstag bin ich in Hermanns Begleitung nach hier zurückgekehrt, wo ich, gottlob, die Gesundheitsverhältniße beßer fand, als sie damals bei meiner Abreise waren. Hoffentlich geht es so weiter gut.

Der Harzfrühling kommt doch auch allmählig. Die "Zirenen" fangen hervorragend zu grüneln an. An Kirsch- und Birnbäumen brechen die Knospen auf. Meinem Fenster gegenüber, nach dem Heber zu, liegt das "Schäferfeld". Sobald die Sonne mal scheint, herrscht rege Betriebsamkeit unter den Leutchen, die Erbsen pflanzen für die Konservenfabrik in Bockenem. Sogar einen richtigen Kinderwagen sah ich mit Mist beladen. Auch Otto hat am Freitag die ersten Beete in Ordnung gebracht und Drath herum gezogen gegen die Kratzehühner; aber, siehstewol, der Drath langte nicht, und da war denn das alte Wiedensahler Netz aus Garn ein willkommener Lückenbüßer.

Gestern gleich nach der Kirche fuhr Otto bei Regen nach Rhüden. Hermann und er haben sich in Kreiensen getroffen und sind mit dem Schnellzuge nach Schwerin zur silbernen Hochzeit gereist. Morgen oder Übermorgen denken sie wiederzukommen.

In Hattorf hatt ich durchweg schlechts Wetter. Wir konnten nur ein paarmal hinaus spatzieren auf die Wiesen. Nach elfjähriger Blindheit sahen wir endlich, daß da Brunnenkreße in Menge wächst, die bekanntlich den allerschönsten Salat und Spinat giebt den ganzen Winter hindurch. Ebenfalls in Mechtshausen hinter dem Dorf im sogenannten "Gesundheitsbrunnen" findet sich dies angenehme Grünzeug. Else hat es sich gleich mit gutem Erfolg zu nutze gemacht.

Von Hattorf aus war ich knapp acht Tage in der Mühle zu Ebergötzen. Es kam sofort ein solches Flockengewirbel, daß ich schon dachte, ich würde einschneien daselbst. (N.B. In Bachmanns Hause sah ich ein kleines Hündchen namens Molly, das war die Amme und Pflegemutter von fünf kleinen Katzen, drei grauen und zwei schwarzen. Ist das nicht brav?) –

Leb wohl, liebe Grete! Du bist recht bei der Arbeit. Aber man nich zu dolle. Ich weiß doch, im Juni geht alles wie geschmiert.

Wir alle grüßen dich tausendmal, besonders Dein

getr. alter Onkel

Wilhelm.


Draußen schmuddert es so still vor sich hin, als ob nicht heute gewaschen wurde und Trockenwetter er wünscht ist. Karl Borchers, der bislang den Hebel an den Waschmaschinen zog, wird demnächst Schneiderlehrling, und sein jüngerer Bruder Hermann tritt als Amtsnachfolger an seine Stelle.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 143.
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