1285. An Johanna Keßler

[169] 1285. An Johanna Keßler


Mechtshausen 27. Oct. 1900.


Liebste Tante!

Ich gratulire zum Urenkelchen No 2. – Zunächst, scheint's, braucht man nicht bange zu sein, daß das Menschengeschlecht alle wird. – Auch bei uns hier wird demnächst ein Zuwachs der Familie erwartet.

Wie geht's denn der Nelly mit ihrem Füßchen? Ist's wieder geläufig, wie ehedem?

Daß Sie und die Letty bei Ihrem Ausfluge vom Wetter so unfreundlich behandelt sind, hat mich "empört". Ist doch anderswo der Sommer so löblich gewesen. Wir haben viel im Garten gelebt mit unsern Besuchern; in der Epheugrotte, unter der großen rothen Buche. Manchmal wurden von denen, die Lust verspürten, größere Wandrungen unternommen, zu Fuß in den Harz. Ich selbst zog nur mal mit zur Ruine Wohldenberg, von wo man weit weg über die Lande sieht.

Im Pfarrhaus wurde heuer, was sonst nicht vorkommt, auch musikalischer Lärm gemacht; von der talentvollen Grete aus Münster. Den meisten Lärm aber haben hier herum, im September, die Soldaten verübt, einen Lärm, von dem ich zum Glück nur durch Hörensagen was vernahm, da ich zu der Zeit grade in Verden verweilte.

Nun ist der Herbst da. Seit dem 15ten dss verbreiten die Dauerbrenner in den Stuben eine behagliche Wärme, während draußen die Winde tosen.

Hoffentlich, liebste Tante, wird es Ihnen u. den Ihrigen gut gehn im kommenden Winter.

Mit herzlichen Grüßen Ihr alter Onkel

Wilhelm.[169]

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 169-170.
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