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[12] 13. An Friedrich Warnecke
Wiedensahl. Sonntag d. 16 November 56
Mein lieber Warnecke!
Im Vertrauen auf die unwandelbare Güte ihres Herzens habe ich es wagen können, auf zwei von ihren Briefen erst jetzt zu antworten und doch die Hoffnung zu hegen, daß sie nicht gar zu böse sein werden. Die Zeilen, die Sie bei die Bücher an Dr. Kleine gelegt, sind auch in meine Hände gekommen.
Ich würde nun einer vollständigen Verzeihung gewiß sein, wenn ich Ihnen in heraldischer Beziehung etwas besonderes mitzutheilen hätte; davon bin ich überzeugt; leider bin ich aber dies Mal, eine Kleinigkeit ausgenommen, nicht dazu im Stande, und zudem weiß ich nicht einmal, ob sie diese Kleinigkeit nicht schon kennen. Ende August machte ich nämlich eine Fußreise nach dem lieben Hameln; das Wetter war prächtig; noch bei guter Morgenzeit hatte ich unser ebenes Land schon hinter mir und stieg zu dem Städtchen Obernkirchen hinan, das recht hübsch an die uns zunächst liegenden Berge gebaut ist. Die Häuser sind neu und ohne Intereße; dagegen ist das Nonnenstift ziemlich merkwürdig. Ich fand an der dazugehörenden Kirche über einer Seitenthür in Stein gehauen, roh gearbeitet, ohne Zier, aber gewiß recht alt, folgende Wappen:
Die Schildform war übrigens anders; ich hatte aber auf der Reise zu wenig Zeit, um sie genau zu zeichnen. Die Schrift unter dem ersten Wappen konnte ich nicht entziffern; unter dem zweiten stand benexen. Die Erklärung der beiden Wappen werden Sie mir hoffentlich in ihrem nächsten Briefe geben. Das ist nun alles, was ich, in der langen Zeit seit meinem letzten Briefe an Sie, über Heraldik habe in Erfahrung bringen können; doch gebe ich Ihnen die Zusicherung, daß die Zeichnungen der Loccumer Wappenleisten nächstes Mal nachfolgen sollen.
In Hameln that es mir recht leid, daß Sie nicht auch da waren; wir hätten dann zusammen wieder manche Ausflucht machen und allerlei besehen und[12] besprechen können. So mußte ich meine Gänge denn allein machen. Jeden Morgen um 6 Uhr nahm ich bei den Mühlen auf dem Werder ein Wellenbad. Um 10 Uhr Morgens, auch Abends zuweilen, ging ich regelmäßig ins Brauhaus, sog begierig einige Schoppen Bier und besah mir die Hamel'schen Philister; die übrige Tageszeit wurden die alten Häuser inwendig und außwendig gezeichnet. – Weitere Parthien in die Berge habe ich wenige gemacht; doch bin ich mit Schäfer zusammen nach dem Hohensteine gewesen. Nachdem wir auf dem Hinwege tüchtig durchgeregnet waren, klärte sich das Wetter auf, so daß unser Vergnügen doch nicht auf die Dauer gestört wurde.
Anbei erfolgt eine kleine Skizze von dem jedenfalls merkwürdigen Steine auf der Fischpfortenstraße, deßen Sie sich jedenfalls wohl noch erinnern werden. Ich dachte er würde Ihnen nicht unintereßant sein und habe ihn deßhalb in Skizze beigelegt. Die Jahrzahl ist 1550. Die Figuren sind etwas steif, wie es die Zeit mit sich bringt, aber doch richtig in den einzelnen Theilen; und das ganze ist so sinnreich, naiv und geschmackvoll, daß ich es immer mit Vergnügen betrachtet habe. Die Schlange bietet noch einen dritten Apfel an; doch Eva scheint zu sagen: »Danke! bin schon versehen und Adam auch!« Zu den Füßen ist der Tod, das Verderben ausdrückend,[13] welches der Genuß mit sich bringt; in den Zweigen des Apfelbaumes die Eule als Sinnbild der Klugheit, denn es ist der Baum der Erkenntniß.
Den obersten Theil des Steines habe ich, wie Sie bemerken, weggelaßen; Sie werden ihn hinzudenken müßen: Gott Vater formt Eva aus der Rippe des schlafenden Adams. Ganz oben als Knopf: der Erdenkloß.
Was bedeutet das Zeichen
in dem Wappenschilde?? Man sieht es in Hameln mehr an Gebäuden. Vielleicht das Maurerzeichen?
Die Hannov. Chronik schicke ich auch mit zurück; manches darin, besonders die Lehnsbriefe, hat mich intereßirt. Sollten Sie wieder etwas Intereßantes von Büchern haben, so bitte ich um gütige Zusendung.
Ihr getr. Freund
Wilh. Busch.
Die Skizze habe ich hinter das Titelblatt der Chronik gelegt.
D.O.
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