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[205] 1391. An Nanda Keßler
Mechtshausen 21. März 1903.
Meine liebe Nanda!
Ich danke dir für deine freundlichen Zeilen. Das Nähere über euere Abenteuer zu Fuß und zu Roß werd ich ja wol erfahren, wenn ich Ende Mai, oder so ungefähr, das Vergnügen haben kann, euch persönlich zu begrüßen.
Der Frühling, ohne Furcht, scheint's, vor dem leicht noch mal ausschlagenden Hinterfuße des Winters, ist fröhlich erschienen. Über dem Feld, hoch in der Luft, tririliren die Lerchen. In den Wipfeln der Kirschbäume schwätzen und flöten die Finken, die Hänflinge, die Staare, alle bereits im Hochzeitskleide, und die verliebten Spatzen prügeln sich lärmend um die Weibchen. Und dann das stille Geschlecht der Vegetabilien. So oft ich es gesehn in langer Lebenszeit, immer wieder muß ich's mit Theilnahme betrachten, wie es sich dringend bemüht, das Bild fertig zu machen, das ihm innerlich unbewußt vorschwebt.
Aber das Menschenkind, obwohl es auch so ist, macht außerdem allerlei Seitensprünge. Wir Mechtshäuser z.B. sind grad bei der Waßerleitung. Oben vor dem Walde werden drei Quellen gefaßt; die drängen dann aus ihrem Behälter in alle Häuser des Dorfes hinunter, und wenn's noth thut können wir damit bis an die Spitze des Kirchthurmes spritzen.
Sei herzlich gegrüßt, liebe Nanda, und grüß auch Nellie und Hudi und die guten Nachbarn von deinem alten
Onkel Wilhelm.
N.b. Den Schlupp, den munteren Jäger, bitt ich vor dem Stadtförster doch ernstlich zu warnen.