1420. An Nanda Keßler

[213] 1420. An Nanda Keßler


Mechtshausen 21. Nov. 1903.


Meine liebe Nanda!

Sei bedankt für deinen Brief. Was du über Hudis Befinden schreibst, ist nicht so günstig, wie ich wohl wünschen möchte, aber die innere Jugendkraft, davon bin ich fest überzeugt, wird bald alles heilen und überwinden. – Um euch andre drei, Dich, Nellie und Schlupp, den Busenfreund, braucht mir nicht bange zu sein. Ihr reitet, er bellt nebenher, und wenn demnächst für euch der nächtliche Tanz beginnt, dann bleibt er auch gewiß mal gern[213] zuhaus, um, ungestört durch Zärtlichkeiten, die Nase unterm Schwanz, auf dem weichen Seßel zu schnarchen.

Ich selber darf mich über mein augenblickliches Dasein befriedigt äußern. Als ich neulich heimkehrte, traf ich die Familie bei guter Gesundheit an. Das schöne Herbstwetter dauerte noch fort. Die Kinder gruben im Sand und bauten Hütten unter dem Haselnußbaum, während der alte Anverwandte gemächlich rauchend im Garten spatzierte und manchmal nach den Bergen sah in der Richtung nach Frankfurt, wo die angenehmen Leute wohnen, die er erst kürzlich verlaßen hatte.

Nun aber will's Winter werden. Die Rosen sind zugedeckt, die letzten Blätter hängen matt auf den Bäumen und grauer Nebel verhüllt den Wald. – Übernacht ist der erste Schnee gefallen.

Leb wohl, liebe Nanda! Zehntausend Grüße an euch alle vom

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 213-214.
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