1441. An Grete Meyer

[221] 1441. An Grete Meyer


Mechtshausen 12. März 1904.


Liebe Grete!

Sei bedankt für deinen Brief und die hübsche Photographie, die von nun an vor mir auf dem Tisch stehen soll.

Ich selbst ließ mich vorigen Montag auch mal wieder abnehmen; in Bockenem. Otto begleitete mich. Diese Kunstreise erinnerte mich an die Düßeldorfer mit dir und Anna. Wie dort, abgesehn von der angenehmen Begleitung, der Fisch und die Bratkartoffeln so zu sagen das Beste waren, so hier der Schweitzerkäs und das echte münchener Salvatorbier.

Du fragst nach den Apokryphen. Das meiste davon ist nie verloren gegangen. Was ich las, ist ein Neudruck mit Erläuterungen von verschiedenen Theologen.

Augenblicklich beschäftigen mich "Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts" von Chamberlain; gut deutsch geschrieben trotz dem englischen Namen des Verfaßers. In dem anregenden Buche (zwei dicke Bände) find ich viel, was ich nicht kannte bisher.

Wie benimmt sich denn der Frühling in Münster, dem klimatischen Kurort? Selbst bei uns, die wir doch kühler wohnen, blinzelt uns die Sonne mitunter schon zärtlich zu. Gestern war ein schöner Tag. Um die neuen Bleichepfähle anzukohlen, war beim Erdhaufen ein Feuer gemacht. Die drei Kinder schürten es nachmittags weiter. Sie holten sich dann Milch, Butterbrod, natürlich auch Meßer, und nun, um einen abgesägten Baumstumpf sitzend, hielten sie ein "gemüthliches" Vespermahl.

Laß dir's gut gehn, meine liebe Grete. Herzliche Grüße von hier an dich und alle, die uns lieb sind bei euch.

Stets dein getr. Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 221.
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