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[15] 15. An Henriette Ebhardt
Lüethorst d. 9/3 1857.
Liebe Base Henriette!
Dein Brieflein, so Du mir geschrieben, ist hier gestern richtig angelangt, doch nicht, wie es wohl werth gewesen, unter den Flügeln einer Taube, auch nicht bei Frühlingswehn und Sonnenschein, sondern in dem alten, ruppigen Ranzen des gemeinen Postboten, der so gerne Einen nimmt; bei Regen, Wind und Schnee. Zu Händen kam mir's aber erst vor wenigen Stunden, und das kam so: ich ging gestern, meinen Mißmuth über die zu Schnee gewordenen Frühlingshoffnungen zu verjagen, nach Hunnesrück zu Bruder Gustav hinüber; zufällig fand sich eine kleine Gesellschaft zusammen; der Abend war angenehm, das Wetter ward schlimmer; ich blieb die Nacht da, und erst heut Mittag, nachdem Kuh=, Schaf= und Schweinestall gehörig verdientermaßen inspicirt waren, kam ich hier wieder an. Das war der Grund, weswegen ich Deinen Brief nicht eher las als Heute und ihn darum auch nicht eher beantworten konnte. Das nächste, was ich nun sagen will und muß, ist dies: Daß die süßen Brocken von »liebenswürdiger Güthe und Gefälligkeit« oder deutlicher: Der Honiglöffel der Schmeichelei bei mir nicht nöthig gewesen wäre, bei mir, der ich, wie Du wohl weißt, den Breilöffel der Gradheit stets in Händen schwinge. Ich erkläre Dir also ohne Umstände und Ziererei, damit die Sache nicht wichtiger scheint als sie ist, daß ich gänzlich und gern zu Diensten stehe, bedinge mir aber aus, daß nicht mehr von mir verlangt werde als von einem Handwerksmanne, der eben seinen Hobel führt, wie's ihm vorgezeichnet ist; denn ich wiederhole es auch jetzt: ich stehe zu ferne, um für die Sache intereßirt zu sein. Also heraus mit dem Entwurfe! Das Wie, Wo und Warum, aber bald.
Die ersten Veilchen und Schneeglöckchen, sowie auch Ohm und Muhme laßen herzlicherweise grüßen, Deine Eltern, Dich, Dora und Minna; die Ersten vor allen die drei letzten.
Wilhelm.