1538. An Grete Meyer

[249] 1538. An Grete Meyer


Mechtshausen 8. Mai 1906.


Liebe Grete!

Habe Dank für deinen Brief! –

Wie ich sehe, macht es dich immer noch ungeduldig, daß Menschenkinder ihre Reden wiederholen. Und ist doch ein Werdegesetz, dem wir mit der Zeit alle gehorchen müßen. Wer gegen die 40 kommt, wo, wie Schopenhauer behauptet, die Philosophie sich verhärtet, der wird manches sagen, was er schon öfter gesagt hat. Man sollte es leicht verzeihn, überhören und kaum noch beachten. Viel wichtiger für den Dauerverkehr zwischen Lebenden ist aber eine andere Wiederholung, die man Charakter nennt. Wegen stockender Gedankenvariationen sind außerdem die Todten zur Aushülfe stets dienstwillig bereit.

In unserm Garten gedeiht bis jetzt alles nach Wunsch. Grad recht kam ein ergiebiger Regen. Die Bäume sind weiß u. röthlich mit Blüthen bedeckt; falls das Wetter ihre Liebe nicht stört, giebt es ein fruchtreiches Jahr.

Auch der Heberwald, deßen erste Versuche du sahst, steht voll im Grün; eine etwas ängstliche Frostnacht hat dem jungen Buchenlaub nicht geschadet.

Die Kinder genießen fröhlich ihr Dasein; sie schaukeln sich, graben und quaddern mit Waßer und fahren ihr geliebtes Lottchen spatziern. Besonders Annelieschen, noch von keiner Wißenschaft bedrückt, lebt lustig in's Blaue hinein. Martin schreibt befriedigt; zwischen den vielen Jungens scheint das Heimweh nicht aufzukommen.

Else veröffentlicht Kleider und Betten im Sonnenschein. Alle Hände bürsten und klopfen drauf los.[249]

Den Empfang einer Ansichtskarte, die ich von deiner Freundin Liddy erhielt, bitte, bestätige ihr.

Leb wohl, liebe Grete! Herzliche Grüße an euch Alle von uns Allen, einen apart noch an dich von

deinem alten Onkel

Wilhelm.


Also der Drubbel wird abgerißen und vorbei ist's für ewig daselbst mit dem kniffigen Eimersitz. Hirten u. Bauern, ihrerseits, legten ihre Bedrängniße von jeher einfach vertrauensvoll an den Busen der Natur, wie Adam und Eva schon thaten – wie sich vermuthen läßt.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 249-250.
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