1570. An Nanda Keßler

[259] 1570. An Nanda Keßler


Mechtshausen 10. Jan. 1907.


Meine liebe Nanda!

Es freut mich, daß Hudi's Pastellbildniß, das Freund Kaulbach gemalt, deinen Beifall gefunden. Eine höchst schwierige Aufgabe war's, und nur ein solch ausgezeichnet sinniger Künstler hat's machen können?

Was treibt ihr denn jetzt in Wiesenau 15? Liegen eure Blumenmodelle im Winterschlaf, oder stehen sie noch zuweilen aufrecht im Glase und sehen euch erwartungsvoll an mit offenen Augen?

Bei uns lag lange fein sauberer Schnee. Nun ist er weggeschmolzen bis auf wenige Reste. Wenn ich im Garten spatziere, bemerk ich schon dies und das, was sich langsam anschickt zu blühen z.B. Christrosen und Seidelbast. Noch immer, so alt ich auch wurde, erscheint mir dergleichen doch neu und spaßhaft, wie vor 10000 Jahren.

Bleib gesund u. getrost, liebe Nanda, und vergeßt nicht, ihr zwei, daß oft freundlich an euch denkt euer getreuer

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 259.
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