1606. An Nanda Keßler

[270] 1606. An Nanda Keßler


Mechtshausen 16ten Sept. 1907.


Meine liebe Nanda!

Dein Scheveninger Brief, wofür ich Dir danke, fand mich in Verden, und der meinige wird dich, denk ich, in Frankfurt finden. Leider scheint dir die Salzluft nicht wohl bekommen zu sein, aber vielleicht zeigt sich die gute Wirkung erst später. Andere, die in die Berge gestiegen, hat die Kälte verscheucht. Mich selbst plagt Schnupfen und Husten; eine Belästigung, die ich gelaßen ertrage, denn dafür, daß man lebt, muß man sich zwicken laßen, ja das Leben wird schließlich sogar mit dem Tode bestraft. In dieser Hinsicht erhielt ich kürzlich einen sehr ernstlichen Wink: Mein gleichaltriger Freund aus Ebergötzen, den ich kenne seit dem Jahr 1842, ist plötzlich in Ems, wo er sich zur Kur aufhielt, gestorben. –

Ein paar sonnige Tage hat uns der Sommer vor seinem Abschied nun doch noch bewilligt, doch schmecken sie schon stark nach Herbst und Vergänglichkeit. Die Felder werden leer, das Laub an den Bäumen erlahmt bereits, und bald kommt der Winter mit seinen frostigen "Freuden".

Leb wohl, liebe Nanda! Berichte mir, womöglich, was Angenehmes.

Inzwischen die herzlichsten Grüße von mir und den Angehörigen allhier an dich und Nellie und all die Andern.

Stets dein getr. alter

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 270.
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