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1653. An Franz von Lenbach
Wiedensahl 14. Nov. 88.
Liebster Lenbach!
Deine Zeilen erhielt ich. – So seid ihr zwei angenehme Stadtleute denn recht fürstlich eingewintert in eurem neuen Gschößl und kümmert euch sozusagen gar nicht um diesen Wechsel der Jahreszeiten, der sich jüngsther für uns treuherzige Landbewohner so jäh und eindringlich und, den bestimmtesten Aussagen trostreicher Wetterpropheten zum Trotz, so dauernd bemerklich macht. Unbehindert von Osten her, durch die kristallklare Luft, über Wald und Feld, kommt der Wind und bohrt und rumort an den Wänden unsrer wacklichten Hütte herum. Schon in der ersten Frostnacht ließ der alte Kastanienbaum vor der Thür aus erstarrten Fingern seine letzten Fächer fallen. Alle nahrhaften Gewächse sind schleunigst eingeheimst; bis auf den braungrünen, standhaften, von vielgeschätzten Damen oft wenig geschätzten, krauslockigen Kohl. Gekrümmt unter Tannenzweigen schlummern die Rosen. Dafür ist nun die rechte Blüthezeit der Nasen und Ohren. Die Singvögel haben Urlaub. Aber eine arbeitsame, zur Zeit nachbarliche Dreschmaschine, mit ihrem Brummen und Flöten, findet unwiderstehlichen Nachhall selbst in den Saiten musikalisch verspundeter Seelen. – Morgen ist Schweinemarkt. Wir sind voll freudiger Erwartung. – Wie ich ferner aus kunstkundigen Zeitungspapieren ersehe, strebt von nun an jeder wahre Künstler zum ruhmreichen Gipfel der »grauen Natürlichkeit« empor. –
Inzwischen und bis auf Weiteres denk ich noch immer gern an Holland und Hals und Steen und Euch und Tobi und grüße vieltausendfach.
Dein
Wilh. Busch.[288]