235. An Erich Bachmann

[125] 235. An Erich Bachmann


Wiedensahl Sonntag 16. Aug. 1874


Mein lieber Erich!

Für einen soliden Pfarrverweser, wie ich es jetzunder bin, geziemt es sich wohl, nach den überstandenen Sonntagsgeschäften auch ein wenig an seine abwesenden Freunde zu gedenken und sie zum Guten zu ermahnen und aufzumuntern. Also bete und arbeite und trink nicht zu viel kaltes Waßer, wenn du erhitzt bist, sondern halte dich mehr an die braven geistlichen Getränke. Wie es mit deinem Beten aussieht, brauche ich nicht zu wißen; was aber deine Arbeit anbelangt, so habe ich die feste Überzeugung, daß du alle deine vier Hände gehörig voll hast, zumal, wenn es dort auch so unbeständiges Wetter gewesen, wie hier zu Lande. Roggen und Weizen sind allerdings schnell herein gekommen, aber da hieß es flink sein; und sehr flink sein, macht immer Mühe. Dafür ist nun der Ertrag auch über Erwarten günstig. Hoffentlich bist du ebenfalls zufrieden, und denke ich dich im Herbst, nach überstandenen Quälereien, in aller Behaglichkeit wieder zu sehen. Du weißt, wie gern ich bei Euch bin; und wenn es auf ein paar Wochen sein könnte, so würde mir das nur um so behaglicher und angenehmer sein. Bestimmt versprechen kann ich es natürlich nicht, wenigstens was die Zeit anbelangt. Vielleicht treibt es mich im Herbst noch mal wieder etwas weiter in die Welt hinaus. Bleibe ich aber im Norden, so komme ich bestimmt und vor allen Dingen zu Dir nach Ebergötzen. Das würde dann[125] im November sein. Andernfalls könnte es wohl Januar darüber werden, abgesehn von einem Abstecher auf einen Tag, einen Sonntag, so daß ich Montag Morgen mit der Post wieder weiter führe. Das habe ich mir wenigstens so vorgenommen, für den Fall, daß ich demnächst mal wieder nach Hannover muß. – Donnerstag oder Freitag wird mein Schwager mit den beiden Jungens (von Grund a/H) wieder zurück kehren, während meine Schwester noch auf einige Tage nach Lüethorst zu reisen denkt, falls sie nicht glaubt, sie müßte durchaus wieder zu Hause sein. Wir kriegen nämlich zu Ende des Monats ein paar hundert Mann Einquartirung, wovon drei Offiziere der Pfarre zugetheilt werden sollen. Ich meine aber, damit werden wir schon fertig, auch ohne daß meine Schwester dabei zu sein braucht. – Meine Zeit geht immer so gleichmäßig und gemüthlich dahin. Morgens wird gearbeitet, Nachmittags bummle ich, trinke in der Dämmrung meine Halbe Wein und lege mich frühzeitig auf's Ohr. Die letzten Wochen habe ich ein kleines Buch fertig gemacht, welches augenblicklich gedruckt wird, damit es dann gegen Weihnachten auf den Markt getrieben werden kann. Das ist nun Freund Baßermann sein Geschäft. Meister Zellmann wird sich mit den Brettern ja wohl ein wenig tummeln, damit er Geld kriegt. Es wäre mir überhaupt lieb, wenn ich aus meinen Ebergötzer Schulden endlich mal heraus käme. – Daß deine Frau unwohl gewesen, hat mir leid gethan. Ich möchte ihr auch gern gute Beßerung wünschen, hoffe aber, daß dieser Wunsch nicht mehr nöthig und sie wieder frisch und heiter wie gewöhnlich ist. – Das kleine Mädchen wird nun auch schon recht verständig in die Welt schauen; und wenn ich auch nicht dazu Gevatter bin, so hege ich doch die Erwartung, daß das ihrer künftigen Weisheit keinen Abbruch thun wird.

Leb recht wohl, mein lieber Erich! und sei überzeugt, daß ich an dich und deine Angehörigen stets mit Liebe und Wohlwollen gedenke und daß ich mich sehr darauf freue, Euch Alle demnächst einmal wieder zu sehen.

Dein getreuer Freund

Wilhelm Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969.
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