288. An Maria Anderson

[146] 288. An Maria Anderson


Liebe Frau Anderson!

Die holländischen Gedichte gefallen mir. Ich habe auch gleich versucht, ein paar davon in's Deutsche herüber zu setzen.


Wem nichts an mir gelegen,

Wer mich so recht meschant

Und kurz und grob behandelt,

Dem reich ich die Bruderhand.

Doch Wer mein Freund sich nennet,

Wer Gutes von mir spricht

Und mich zu Danke verpflichtet,

Dem spuck ich in's Gesicht.


Zur Magd sprach Morgens der Milchmann:

»Die Schwelle ist wieder so naß!« –

Daß Nachts darauf geweinet,

Ach Gott, Wer wußte das?! –

Daß er und die Magd es nicht wußten,

Nu ja! Das ertrüge sich. –

Doch sie – daß sie nichts vermuthet,


Ist wirklich recht hart für mich.


Wie kommt mir doch das Holländische so würdevoll vor und spaßhaft zugleich. Bei den langen aa's und oo's muß ich immer an die salbungsvoll geöffneten Mundlöcher der Dominés denken. Dann die ij's, wo Kurz-i und Lang-j immer so hübsch einträchtig zusammenhalten, wie die Juden Isaak und Jacob, als sie den Bauer prellten. Und dann die drolligen End-je's, welche den Wörtern immer so hinten herausbummeln, wie dem Buben der Hemdzippel. – Beim Zeus! Ich fürchte fast, eine holländische Tragödie könnte meine Seele nicht mürbe machen. – Da haben wir's!

Haben Sie Nachsicht mit

Ihrem ergebensten

W. Busch.


Wiedensahl

21ten Jun. 1875

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 146.
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