290. An Maria Anderson

[147] 290. An Maria Anderson


Wiedensahl 24 Jun. 75.


Meine liebe Frau Anderson!

Der kleinste Stein, der vom Dache fällt, erschüttert die Welt; aber sein Fall war selber veranlaßt, war ein Theil der drängenden Bewegung, welche das All durchwühlt. Wir wühlen mit, und Alles muß. Dieser Gedanke zieht sich durch alle Zeiten. Fatum, Prädestination, sind ein paar seiner allegorischen Gewänder. – Könnte die Kraft, deren Erscheinung das fallende Steinchen ist, in Nichts verschwinden – könnte Einer ein Loch in die Welt freßen – könnte ein Glied des Kettensystems sich selbst zerreißen – rums!! – mit einem Ruck müßten Sonnen und Planeten und wir selbst und der ganze Krempel zusammenrumpeln und hinuntersausen in den bodenlosen, seligen Abgrund. – Wird's jemals einer können? Sind Alle dazu nöthig? Wird der unruhvolle Schöpfer ermüden und allmählig entschlummern? – So viel scheint fest zu stehn: Man ist noch allerseits recht munter; und 'n richtigen Heiligen hat's bis jetzt noch nicht gegeben, sonst hätten wir's gespürt und verhielten uns still.

Mit der Versicherung, daß ich in solchen Sachen niemals etwas zu wißen behaupte, zeichne ich mich als Ihren gläubigen, leider nicht frommen, aber ganz ergebensten

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 147.
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