309. An Maria Anderson

[153] 309. An Maria Anderson


Wolfenbüttel 12 Sept. 75.


Meine liebe Frau Anderson!

Wenn in holländischen Blättern solche Geschichten verhackstückt werden, so weiß ich nichts davon, und selbst wenn mir dergleichen in die Hände käme, ich würd es schwerlich lesen; es sei denn, es wäre rund, klar und[153] psychologisch bedeutungsvoll, also anziehend auch ohne Bezug auf eine bekannte Person, d.h. kein litterarischer Klatsch.

Meine Überzeugung ist ein für alle Mal: Wir taugen alle zusammen in der Wurzel nicht, und schüttelten wir die guten Werke auch nur immer so aus dem großen Sack hervor.

Sie kennen meine Abneigung gegen Fragen. Dennoch beantworte ich Ihre Fragen stets. Ein Beweis für meine abscheuliche Liebenswürdigkeit.

Was nun zuerst das Verändern der Nationalität betrifft, so müßten wir jedenfalls vorläufig sterben, was ich beiderseits für unbehaglich halte und darum so bald noch nicht erwünscht. Die Nationalität ist eben ein Ding, was Keiner bei lebendigem Leibe los wird, er mag kratzen, so viel er will.

Ferner! Das bewußte »Wehe« möchte etwa so geklungen haben: »Liebe Frau Anderson! Sie haben selbst und zuerst unsern Verkehr so begrenzt, daß er gewißermaßen ein Zwiegespräch über den »platonischen Zaun« sein sollte. Fragen Sie nun aber zu genau nach meiner Person, so möchte mir das leicht eine Veranlaßung geben, über den Zaun hinüber zu steigen. Eine verhängnißvolle, unberechenbare Veränderung der Situation. Wehe!«

Drittens! – »Zurückgezogenheit« und »Mücken«. – Wenn ich mit meinem Shakespear in den Wald spatziere, wenn ich mein Skizzenbuch aufschlage und zeichne eine Pflanze oder eine alte Brücke – zih! – da singt eine kleine Stechmücke ... – Ohne Bildersprache? Jede Sprache ist Bildersprache. – Ich führe keine Correspondenz, außer hie und da mit Verwandten und mit Ihnen. Ich will ungestört meiner »idyllischen« Neigung folgen, ich will meine Ruhe haben – zih! – da singt die Stechmücke – Sie nennen es flauwe scherts.

Gut, gut! Sie hat ja nicht stechen wollen.

Und wenn auch – Beim Zeus! – Ich halte mich nicht für beßer als andere Leute und bleibe immer

Ihr ergebenster

W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 153-154.
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