32. An Otto Bassermann

[27] 32. An Otto Bassermann


Wiedensahl d. 30/11 63.


Liebster Freund!

Die Bäume vor meinem Fenster haben das letzte Blatt fallen laßen, auf dem Boden liegt der Frostmantel und vergeblich fliegen die Tauben nach Waßer aus. Wir haben uns in die tiefe, warme Hauseinsamkeit zurückgezogen. Wie wohl thut es doch, umgeben von wenigen freundlich gesinnten Menschen, so Stunden und Tage in gleichmäßigem Wellenschlage dahin fließen zu sehen, während in bläulich wehendem Dampfe unser innerstes Gemüth leise auf und nieder steigend sich wieder klärt und beruhigt. Da reinigt sich in der Gegenwart auch die Vergangenheit. Unrecht, das wir gaben oder nahmen, jene verdrießlichen bösen Stunden, sie sinken in den Boden oder verflackern wie Irrlichter, gesühnt durch einen wohlwollenden Blick in die Zukunft. Das entscheidende Wort, welches durch unsre Seele klingt, ist Resignation, ein rauhes Wort oder ein sanftes, je nach dem wir die Saiten gespannt haben. – Möge auch meinem Bilde, wenn es jetzt vor dir vorüber wandelt und Du der vielen Freundlichkeiten gedenkst, die Du mir erwiesen, eine ähnliche Stimmung zu gute kommen. Deine Ruhe, hoff ich, wirst du Dir, lieber Freund, jetzt auch wieder gesammelt haben, wie ja Derjenige, dem eine Stütze genommen, nun um so fester wieder auf eignen Füßen steht.

Mit Richter bin ich so weit im Reinen, wenn auch nicht ganz so, wie ich es gewünscht hatte. Die Drei Geschichten, welche er definitiv bestellte, wurden ihm alsbald zugeschickt. Erst nach drei Wochen bekam ich Hölzer, aber zu meinem Erstaunen zu »Hänsel und Grethel«, von dem ich ihm geschrieben, daß ich es anderweitig verwenden wollte. Was war zu thun? Ich habe mich drein gefunden. Zu den übrigen, erwarte ich heute Holz. – Die lange Pause von drei Wochen war mir recht zuwider. Ich hatte mehrere neue Sachen angefangen, und du weißt, wie ungern ich wieder etwas in die[27] Hand nehme, was ich schon hinter mir zu haben glaubte. Für spätere Fälle muß ich mir das anders einzurichten suchen, in dem ich mir die Hölzer gleich selber machen laße. – Ob ich noch Alles hier fertig zeichne, weiß ich nicht; jedenfalls den größten Theil. Im Januar will ich wieder in München sein; vo[r]her aber noch an Bremen, Hannover, Wolfenbüttel, Lüethorst, Göttingen und Ebergötzen vorüber streifen. – Weil ich auf der Herreise mich in Göttingen nicht aufhielt, so beauftragte ich meinen Bruder, deine Rechnung bei Rente zu berichtigen. Der erklärt nun aber ganz bestimmt, daß du ihm durchaus nichts schuldig seiest. Wie soll ich mich nun weiter dabei verhalten?

Von Hanfstängl höre ich, daß du die Abende früh allein bist. Gönne mir auch einmal eine Stunde und schreibe mir einmal, wie du lebst und was du treibst. – Über den »Vetter auf Besuch« möchte ich ebenfalls gern von dir etwas eingehenderes hören. Kremplsetzer schrieb mir einen kümmerlichen Wisch, voraus nichts zu ersehen war. Ich habe ihn im ersten Ärger eine Antwort geschrieben, die er wohl nicht hinter den Spiegel stecken wird.

An Dernen bitte ich meinen besten Gruß auszurichten.

Stets dein getr. Freund

W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 27-28.
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