354. An Maria Anderson

[168] 354. An Maria Anderson


Insel Borkum 14 Juli 76.


Obschon ich nun bereits seit längerer Zeit und vielfach von Andern vernehme, ich sei todt, so kann ich doch selbst noch immer nicht so recht dran glauben.

Von dem blaßgrünen Helm der Dünen aus seh ich deutlich die holländische Küste, und deutlich hör ich das Brausen der sich überstürtzenden Wellen.

Ich lese auch zuweilen im Holländischen Gesangbuch.

»Dan moogt g' in zegepraal uw' voet,

Ja uwer honden tong' in't bloed

Van elken vyand steken.«

Eine brave, sangbare Haifischmoral! – Vor ein paar Tagen lag ein Seehundsknabe, der die Fluth verschlafen hatte, ganz hülflos auf dem Sande. Da ihm vorn nicht recht zu trauen, so wurd er bei den Hinterbeinen an's Waßer gezogen; worauf er mit großer Geschicklichkeit an zu rudern fing, sich noch mal umsah und dann hinunter tauchte. Hoffentlich wird er seiner Familie erzählen, daß manche Leute am Lande auch ihre guten Seiten haben.

Freundl. Gruß!

W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 168-169.
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