397. An Johanna Keßler

[181] 397. An Johanna Keßler


München. Montag. [17. September 1877]


Liebste Tante!

Ist denn unser lieb's Dittchen wieder ganz wohl? Ich hoffe, ja! Und so denk ich mir auch Sie in alter Behaglichkeit. – Könnt ich nur auch daßelbe von mir behaupten. – Schwester Fanny setzt mich in Sorgen. Zu der Einquartirungsunruhe mußte sie nach Bückeburg, wo ihr zweiter Junge am Nervenfiber erkrankte. Die eigentliche Krisis scheint allerdings überstanden zu sein, aber der traurigen Möglichkeiten bleiben ja immer noch genug. – Wem möcht ich wohl lieber alles Gute gönnen, als Ihnen, meine liebe Tante, und meiner Schwester?! – Die Einrichtung des Ateliers ist auch immer noch nicht fertig. Ich warte mit verborgener Ungeduld. Vier Wochen bin ich zu früh hier angekommen. – Na, gut!

Freund Baßermann, fürcht ich dagegen, kommt zu spät. Hallberger aus Stuttgart will sich in großartiger Weise hier anbauen. Er wirft bereits seine Netze aus und sucht alles, was schreiben, malen und zeichnen kann, zu sich heran zu locken.

Mit dem einliegenden Autograph von Richard Wagner hoff ich der Nanda eine kleine Freude zu ma chen. Falls ihr Sammeleifer noch nicht erkaltet ist, soll bald mehr erfolgen.

Die Naturforscherversammlung hier fängt an sich bemerklich zu machen. Gedon, der mich gerade im Schreiben unterbricht, besorgt Karten für das Kellerfest, wozu der alte Vater Seitz die Decorationen gemacht hat.

Ich wollte nur, ich hätte Sie recht gründlich allhier, dann wär ich wol etwas zufriedener.

Ihr Wilhelm B.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 181.
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