601. An Marie Hesse

[249] 601. An Marie Hesse


Wiedensahl 23 April 84.


Liebe Frau Heße!

Wir freuten uns recht sehr, die Neffen und ich, als Ostern ein Brief von Ihnen ankam. Die Jungens hatten sich schon immer nach Ihnen erkundigt. Leider geben Sie uns gar keine frohen Nachrichten von sich; Sie sind krank und allein in Karlsbad. Aber Karlsbad ist ein Wunderbad. Ich hoffe fest und wünsche von ganzem Herzen, daß es sich, wie bei so vielen Andren, auch bei Ihnen bewähren möge.

Hermann ist Sonntag wieder nach Holstein abgereist; er hofft Michaelis in's Stift nach Loccum zu kommen; etwa nur anderthalb Stunden von hier entfernt. Otto sitzt seit Montag wieder auf der Schulbank. Adolf wird heut in Tübingen ankommen, wo er sein zweites Semester antritt. – Es ist ein Behagen, zu sehn, wie diese jungen Leute mit so frischer Lust in die Welt hinaus wandern. Ist man erst über den Berg hinüber, wo's wieder hinaus geht, dann ist man sich nicht mehr viel Guts vermuthen.

Ich schau auch nicht mehr so lustig drein, als dazumalen an der See. Der Bart wird grisselicht; die Nase beugt sich unwillig unter das Joch der Brille. Die einliegende Photographie, welche der Photograph sehr »geleckt« hat, bitt ich darnach zu corrigiren. – Das große althergebrachte Weltganze hat sich aber auch dies Jahr wieder frisch heraus gemacht. Seit einigen Tagen verdirbt aber ein scheußlich kalter Ostwind das Spiel. Die Rosen laßen auch die Ohren hängen.

Wenn's nur in Karlsbad gut Wetter ist, daß Sie viel ausgehn können!

Die Neffen laßen grüßen, ebenso recht herzlich

Ihr Ihnen stets ergebener Freund

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 249.
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