62. An Otto Bassermann

[52] 62. An Otto Bassermann


Frankfurt a/M. 16/2 69.


Liebster Freund!

Du weißst es ja längst, daß ich auch zu denen gehöre, welche eine leidenschaftliche, aber leider selten erwiderte, Neigung zu guten Vorsätzen haben. Fern sei es von mir, den alten Jungen irgendwie entschuldigen zu wollen: er hat eben wieder mal am Ufer gelegen und gedankenlos in den vorüberziehenden Strom geschaut. – Mein lieber Otto! Muß ich Dir sagen, wie gern und dankbar ich mich an die Zeit erinnere, als wir uns täglich nahe waren? Sollten wir das wohl je vergeßen können? – Mit Freude und Genugthuung sehe ich Dich nun im Begriff, jenes ernsthafteste aller Geschäfte zu beginnen, welches ich Dir oft mit heiterem Prophetenblicke in die Zukunft als besonders segensreich und so recht eigentlich für dich paßend geschildert habe. Ein solides, ehrliches Geschäft, ein altbewährtes Geschäft! – Zunächst wirst Du nun wohl Gelegenheit und Berechtigung genug haben, Deinen alten Freund ein wenig darüber zu vergeßen. Immerhin! Aber darnach so wird eine Zeit kommen, wo's an Deine Thür klopft, und ich werde hereintreten und nachsehen, ob alles in Ordnung und ob alles so ge kommen, wie ich hoffe und wünsche – und dann wird es ja auch wohl nicht mehr zu früh sein, mich für die Photographien und die prachtvollen Schatten zum Shakespeare zu bedanken, die du mir gegeben. – Also am 22ten! – Vor allen Übrigen müßen bei einer Hochzeit ja wohl Braut und Bräutigam zugegen sein. Ich denke mir sogar, diese beiden glücklichen Leutchen werden sich dann recht viel mit einander zu schaffen machen, so viel, daß sie es nicht eben vermerken, wenn ein gewißer guter, braver, etwas ältlicher Herr mit Bauch und Glatze (ja ja, er hat'se!) – der nicht alt genug ist, um Ehrfurcht einzuflößen oder bei der Großmutter zu sitzen, noch jung genug, um seiner hübschen Tischnachbarin genehm zu sein (sie hat zwei lange blonde Locken über den Nacken herabhängen, das liebe Kind!) – wenn, sage ich, jener genannte Herr seinen Frack im Schranke und sich selber hinter dem Ofen läßt, und, von den sanft dahinschwebenden Wolken des bläulichen Dampfes umhüllt, an die Zeiten denkt, die vergangen und an die, welche kommen – nur an die, welche kommen – Liebster Freund! möchten sie dir doch alles, alles Gute bringen!

Ich bin mit alter Liebe Dein

aufrichtiger Freund

Wilhelm Busch

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 52.
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