637. An Friedrich August von Kaulbach

[263] 637. An Friedrich August von Kaulbach


Wiedensahl 1. Nov. 85.


Daß du – lieber Fritze – nach so langer Pause mal wieder Was an mich geschrieben und mir damit durch die Lüfte daher ein ziemlich zuverläßiges Zeichen deines dortigen Nochdaseins gegeben, wie auch die Versicherung, daß es dir nebst deiner Frau Liebsten noch immer gut geht, hat mir Freude[263] gemacht und sage ich dir meinen Dank dafür. – Das Dünnere und Breitere hoff ich demnächst von Lenbach in Kaßel zu vernehmen. – Auf dem Wege dahin werd ich wohl auch den »Mann im Bart« sehen, der dich neulich besucht hat, von dem ich nicht weiß, was er eigentlich will oder kann. Für die gewöhnlichen biographischen Schreibereien, die naturgemäß entweder lügenhaft, langweilig oder indiskret sind, besitz' ich keine absonderliche Verehrung. Ein anderes wär's, falls ein richtiger Schlaukopf der Sache in den Keller stiege und mal von Grund aus nachsähe, warum und wann die Leutchen eigentlich lachen. Man lacht, wenn man Andere in Verdrießlichkeiten und kleinen Malheurs bemerkt, wenn man ihre Verstellung, ihre Pfiffigkeit, ihre Einfalt durchschaut; denn da fühlt man sich verhältnißmäßig so wohl und gescheidt, daß es ein rechtes Vergnügen ist. – Und ferner: Wann und worüber dürfen wir lachen? Der plebejische »alte Adam« lacht noch über Krüppel und Blödsinnige; der Teufelhafte über das qualvollste Unglück; uns feiner Aufgestutzte kitzelt es oft schon, wenn wir unsere eigenen Dummheiten in ihren Filzschuhen erwischen. Dem warmen alles umfaßenden Mitgefühl wird nichts lächerlich, dem eisigen hochgesteltzten Intellekt mag am Ende nichts ernsthaft erscheinen. – Dergleichen Zeug mit allem, was noch dran hängt und baumelt, vom tüchtigen Federfuchser mit dem Gänsekiel gelenkig durcheinand gerührt, möchte nicht übel zu lesen sein. Inzwischen wir zwei, bester Fritze, geduldig wie wir sind, laßen die Welt laufen und machen, wie's mag. –

Als ich vor circa 100 Jahren mit dem alten Jäger Bicker mal durch den Wald spatzierte, blieb er extra stehn, nahm mich beim Knopf, blickte mir mit seinen bejahrten Triefaugen weise und bedeutsam ins Gesicht und sprach in Anbetracht der allgemein tief eingewurzelten Boshaftigkeit: »Ich will Sie mal was sagen, Herr Busch! Wer kann den Esel das Bölken verwehren?!« –

Einen herzlichen Gruß an dich und deine Frau von deinem

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 263-264.
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