657. An Johannes Proelß

[273] 657. An Johannes Proelß


Wiedensahl 8. Oct. 86.


Geehrtester Herr Proelß!

Auf Ihre freundliche Antwort vom 6ten hin schicke ich Ihnen das betreffende kurze »Was mich betrifft«. Da ich nun den Verfaßer des liebenswürdigen Artikels in No. 250-51 kennen gelernt, muß er natürlich gleich ein paar vertrauliche Bemerkungen ausstehn.

Ich verkehre allerdings viel mit unterhaltlichen Todten, aber in sogenannte alte Schriften hab ich mich nie vertieft. Die älteren deutschen Humoristen sind mir auch jetzt noch so gut wie unbekannt. Den wonnigen Donquichote lernt ich erst vor einem Jahr ganz kennen, und sollt ich geschwind noch eins der Bücher nennen, die mich so recht von Herzen ergötzt haben, würd ich vielleicht Pickwick sagen. Von dem direkten Einfluß eines Verlegers auf mein Talent ist mir nichts bekannt. Übrigens wurden Text und Zeichnungen fertig überreicht und, so viel ich weiß, nicht mehr verändert. Außer beim »Filucius« hat gewiß nie Wer gewußt, womit ich grad beschäftigt war.

Daß ich an »Max und Moritz« meinen reichlichen Antheil gehabt, läßt sich kaum sagen. Sie wurden nach demselben Maßstab von ungefähr 3 Gulden bezahlt, den der alte Braun für meine frühsten Zeichnungen selbst bestimmt hatte. Ein kleines nachträgliches Extrahonorar wurde mir nur für die Sammelwerke überwiesen, wie »Kunterbunt«, »Schnacken und Schnurren«, deren Titel gleichfalls von mir sind. Ob nun die Verleger recht oder unrecht gehabt, jedenfalls haben sie Reklame für mich gemacht. Längst seh ich die Sach gelind und heiter an, und eine Erörterung meines[273] Verhältnißes zum alten Kaspar in der Öffentlichkeit ist mir stets unerwünscht und peinlich gewesen. Obschon der alte Knabe meine Adreße nicht wußte, als einst andere Verleger danach fragten; obschon er in den sechziger Jahren in einem Artikel über sich und seine Mitarbeiter den Grafen Pocci mit einer Zeichnung ausstattete, die von mir war, obschon er mir, trotz spärlichen Honorars, auch noch das Manuskript mit den Originalzeichnungen zu »Max und Moritz« abbettelte – könnte er jetzund, wo er auch sei, zu mir herauf oder heruntersteigen, ich gäbe ihm lächelnd die Hand, falls das bei einem Geist überhaupt räthlich ist.

Ihre Vermuthung über meine italienische Reise kann ich nur bestätigen. Ich wollte dort alte Bilder sehn, nicht alte Pfaffen.

Nach dem gemüthvollen Grundton Ihrer Abhandlung glaubt ich mir diese Bemerkungen gestatten zu dürfen.

Sein Sie überzeugt, daß, von Ihnen zu hören oder zu lesen, stets erfreut sein wird

Ihr ergebenster

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 273-274.
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