|
[304] 745. An Else Meyer
Wiedensahl 9. Juli 88.
Da's mir lieb gewesen, liebe Else, daß du so liebenswürdig die Feder geschwungen und der Reichspost einen Brief für mich mitgegeben hast, so sollst du nur auch gleich auf frischer That recht schönstens dafür bedankt sein. – Demnach seid ihr denn, nachdem Anna den äußern und innern Rumor des Weltmeers glücklich überstanden, mal alle wieder vollzählig[304] und gemüthsam bei einand und könnt nun so recht innig in Umzugsgedanken schwelgen. Hoffentlich findet ihr denn auch recht bald eine Wohnung, worin die Öfen ziehen und die Fußböden nicht.
Hier bei uns war's letzther gleichfalls kalt, faßt wie im vergangenen, dir in der Hinsicht unvergeßlichen, Winter. Unser Schützenfest war aber brillant, wie ich höre. Fritz hat zu Ehren des Tages die Hecke geschoren, ich habe zugesehn und Lenchen hat Maulschellen eingestippt. – Die ersten Erbsen sind gelb bis unter die Arme, die zweiten scheinen beßer zu werden; der Kohl, die Bohnen benehmen sich tadellos. – Unsere Flötisten um's Haus herum sind merklich still geworden; sogar die Spatzen mäßigen sich; die Staare sind noch gänzlich abwesend in pädagogischen Angelegenheiten. Nur die bewußte allerliebenswürdigste der Grasmücken singt mir noch immer was vor, wenn ich in der Dämmrung zwischen den Rabatten spatziere, wenn Engelkens Äpfelbäume schon ganz schwarz aussehn, wenn nur noch ein ganz klein bißel Abendroth aus der nordwestlichen Ecke hervorblinzelt. Dann sitzt das wundersame Vöglein in Nachbars Erbsbraken und phantasirt. – Dortchen, Fr. Nickels, Lenchen laßen grüßen. – Vor Allen grüßt Euch Alle und Dich vor Allen, liebe Else, dein getr. Onkel
Wilhelm.