748. An Alexander Günther

748. An Alexander Günther


Wiedensahl 6. Aug. 88.


Ihr freundliches Wort, lieber Günther, als ein gleichgestimmter Laut von außen, hat mir wohl gethan, obgleich sich ja ein wirkliches Trauergeschäft nur ganz inwendig, unter vier Augen, erledigen läßt. – Mein Bruder, nachdem er sich, erst zu Waßer und dann zu Lande, verschiedentlich abgerackert, starb plötzlich, 52 Jahre alt, in seiner Villa zu Wolfenbüttel, die er sich erst kürzlich gebaut hatte. – Mancher kriegt sein Brennholz geliefert; mancher stiehlt es; mancher muß es mühsam erwerben. – Oft, wenn ein Wald gefällt ist, werden die hartnäckig sitzengebliebenen Wurzelstöcke, genannt »Stuken«, derartig vergeben, daß sie Einer umsonst kriegt – für die Mühewaltung des Ausrodens. Der Kerl wurzelt und wurzelt, der sommerliche Schweiß rinnt ihm vom Buckel herab, der kühle Herbstwind saust ihm hinter die röthlichverglasten Ohren; aber immer schwebt ihm ermunternd vor das winterliche Zukunftsbild der behaglichen Ofenbank. Eine »Erkältung« war natürlich nicht zu vermeiden. Der Winter kommt, und ehe der Ofen noch warm geworden, streckt sich der Mann aus und ist todt und kälter als je. – Das Leben, wie die Stuken, kriegt man für's Ausroden. – Was daraus zu schließen, ist verschieden je nachdem man seine Gedanken auf den Spielplatz der allgemein beliebten Ergötzlichkeiten richtet, oder ernsthaft über die Mauer schaut.

Meine liebe Schwester, die 4 Wochen im Harz gefroren, besucht jetzt die Frau des verstorbenen Bruders, und ich krame allein in unserer Hütte und sehe nach dem Barometer, doch ohne, auch bei seinem tiefsten Fall, außer Faßung zu kommen.

Sind Sie nun erst, lieber Günther, wie den mitwirkenden Elefanten, so auch den übrigen Freuden der Kunst- und Kunstbeförderersfestlichkeiten wieder glücklich entronnen, und es ist mal ein sonst unbrauchbarer Tag, dann, bitte, schreiben Sie doch mal, wie und wo Sie hausen außerhalb Münchens, und Dies und Das an

Ihren getreuen

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968.
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