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[321] 792. An Else Meyer
Wiedensahl Freitag [Mai 1890]
Ich danke dir, liebe Else, für deinen guten Brief aus Lüethorst. Also Großvater hat Lüethorst mit Deppe dem Prächtigen mal den Rücken zugekehrt und ist auf Reisen gegangen und kommt dann von Münster auch hier mal her, hoff ich. Daß D. verklagt ist, wird, fürcht ich, nichts weiter einbringen, als Kosten und Verdruß; denn, wer nichts hat, braucht nichts zu bezahlen. – Unsre Mutter ist Vorgestern wiedergekommen, nachdem sie die Nacht bei Schwester Marie in Hannover geblieben. – Daß du nun auch wieder beim Herrn Vater und der Frau Mutter und dem Herrn Bruder und den beiden Fräulein Schwestern dich befindest, wird dir wohl gut thun. – Hier hat sich der Frühling letzther recht hervorgedrängelt. Die Felder sind grün, der Wald ist grün und der Rehburger Berg ist schön blau. Zwetschen- und Birnbäume stehen im Blüthenschmuck; die Rosen kriegen Knospen. Die Staare schlagen quinquilirend mit den Flügeln, die Spatzen schilken sich was zurecht. Leider mußte ich ihnen zwei Nester ausdrehn, eins über der Gartenbank, eins über der Regentonne; sie schalten mich sehr aus deswegen; aber Reinlichkeit ist eine Bürgertugend, die sie noch lernen müßen. – Unser Herr Redepenning schwärmt für die vielen Hochzeiten (von wegen der dabei vorfallenden Eßwaren) die hier im Gange sind. Heute kocht Frau Nickels auf der von Kölling=Dreier. Auch unser blinder Musikant wird sich vermählen mit Lotten=Köllings Tochter. Er kriegt somit einen recht thätigen Schwiegervater, du kennst ihn ja, zu dem Schär sagte: »Wäist du watt, Kölling, eck möchte dir woll äinen auf Mul giäben, wenn eck man dröfte.« – Leb wohl, liebe Else! Wir alle laßen Euch Alle recht herzlich grüßen. Dein getr. Onkel
Wilhelm
Fräulein K.s Brief wirst du ja wol gekriegt haben, trotzdem sie irrthümlich unter No. 4 statt No. 104 an dich geschrieben.