805. An Marie Hesse

[327] 805. An Marie Hesse


Wiedensahl 27 Nov. 90.


Meine liebe Frau Heße!

Seien Sie freundlichst bedankt für die hübsche Photographie! woraus ich zu ersehen glaube, daß es Ihnen so gut geht, wie ich immer wünsche und hoffe.

Von den Neffen und mir kann ich, gottlob, das Gleiche berichten. Ich habe meist still geseßen letzther. Nur vor drei vier Wochen besucht ich meinen alten Freund in der Mühle zu Ebergötzen; die Freundschaft, seit dem neunten Jahr, hat sich gehalten. Im übrigen sind die Erinnerungen aus den Kinderjahren, die sich an den Ort knüpfen, mit dem Alter doch etwas locker geworden, und diesmal, bei dem abscheulichen Wetter, konnt ich auch nicht mal die Plätze in Wald und Feld besuchen, wo ich mich ehedem umhertrieb. Wir gingen gar nicht aus, sondern blieben in der Mühlengaße und ließen Wind, Regen und sogar etwas Schnee beim Gerumpel des Mühlwerks über uns wegsausen.

Neffe Hermann ist immer noch gern in Hattorf am Harz und freut sich unter anderm über sein kleines nettes Trudchen, die, wie ich höre, auch schon einen Zahn hat.

Adolf, nachdem er in Wolfenbüttel sein Jahr abgeritten und abexerzirt als Kanonier, sitzt nun in Leer in Ostfriesland, um sein Jahr abzulernen und abzulehren als Seminarist.[327]

Otto arbeitet in Göttingen aufs Examen für Ostern. – Ihn sowohl wie Adolf denken wir zu Weihnachten hier zu haben.

Leben Sie wohl, meine liebe Frau Heße! Mit herzlichem Gruß Ihr alter ergebenster

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 327-328.
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