837. An Nanda Keßler

[339] 837. An Nanda Keßler


Wiedensahl 18. Oct. 91.


Meine Zeilen aus Hattorf, liebe Nanda, wie auch die Geschäfts karte, wirst du ja erhalten haben.

Heut möcht ich Dir mittheilen, daß ich vorgestern, am Morgen ganz früh, klein Trudchen ade gesagt; daß mir's auf dem Northeimer Bahnhof, wo sie euch, die ich so gern hab, vor acht Tagen verpackt und weggebracht, recht öde zu Muth war; daß ich in Hannover natürlich meine Dose vergaß, die jedoch, wie ich telegraphisch vernehme, nicht weg ist; und daß ich nunmehro herumspatziere in diesem äußersten Winkel der Welt, vor mir nordöstlich im Duft leibhaftig den Rehburger Berg und dahinter, in Gedanken, den Ort, wo ich sie wiederfand, meine lieben guten frankfurter Tantchen, von denen ich schon glaubte, daß ich sie nie mehr erwischen würde. Nun kommt mir der Berg viel freundlicher vor, und öfter und lieber werd ich hinschaun, als früher, wo ich immer gleich dachte: »Dahinter sind Leute, die husten müßen!«

Nach Ebergötzen, in die Mühle, kam ich nicht dies Mal; um so schneller denk ich nach Frankfurt zu kommen; nächsten Samstag vielleicht, vielleicht auch erst Montag oder Dienstag, falls mir das Schicksal keinen Knittel in die Räder schiebt.

Was wird's dann dort für Wetter sein? – Nicht Cirruswolken erwart' ich, die eilig heraufsteigen von Westen und Regen bedeuten; nicht Cumulusballen voll Hagel und Sturm; sondern, nein, was ich hoffe, ist heiterer Himmel und eine »lachende« Sonne.

Leb wohl, liebs Nanderl!

Dein

tausendjähriger Onkel

W.B.


Adr: Wiedensahl

Provinz Hannover.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 339.
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