879. An Nanda Keßler

[362] 879. An Nanda Keßler


Wiedensahl 17. Aug. 92.


Liebe Nanda!

Sei bedankt für Deine prompte Erwiderung, und prompt ist die meine. Aber was schreib ich nur gleich? Mitunter hast Sinn für's Drollige. Vielleicht intereßirt Dich a bißel Dies und Das aus einem gelungenen Brieflein, welches unsere muntere gemeinsame Freundin, Frau K., an mich schrieb, als sie vor einiger Zeit grad bei der Parade eines fremden Potentaten gewesen.

»Es ist doch gut – schreibt sie – wenn man viele schneidige Husarenoffiziere kennt und sich mit der hohen Obrigkeit gut stellt, so bekommt man den Ehrenplatz, von dem König, dem Süßen, einen Blick, und noch einmal hat er sich umgesehn! – Welche Ehren werden solch einem jungen Ding doch schon zu Theil!! D.h.: Allein brauche ich es nicht auf mich zu nehmen.«

Zapperment! liebe Nanda! Da kannst du mal sehn, was »Ehren« sind. Es ist nur gut, wenn die Last derselben zu koloßal wird, daß man sich das allein nicht braucht gefallen zu laßen, sondern etwas abladen darf auf schwächere Schultern. – Ferner:

»Vorgestern war mein Freund v.X. wieder mal da.

Schnell hab ich Deinen Gruß bestellt, den er freundlichst erwidert.«

Du lächelst und fragst: Seit wann ist denn mein braver Onkel so zudringlich geworden, daß er vornehme Leut unbekannterweise zuerst grüßen läßt? Nicht mal bei berühmten Leuten thut er das sonst. Da ist gewiß ein kleiner Irrthum paßirt. – Weiter:

»Er ist Excellenz, geheimer Rath, Ritter etc. – Er lud mich ein nach H.; aber ich gehe nicht hin.

Er kann nach N. kommen, und er thut es auch gern.«

Da schaust! – Solch ein mächtiger Herr! Und doch so schlankweg behandelt und hinbestellt! Von solch 'nem »jungen Dinge.« (hem hem!). Sie hat sich aber auch – so schreibt sie – eine Königin zum Muster genommen. –

Gelt! meine gute Nanda! Das hat dich schön neidisch gemacht. Ich bin's, natürlich, schon lange. Also tröst dich mit mir. –

Doch genug der Spaßetteln! – – Du weißt, daß ich Volksversammlungen, selbst kurörtliche, nicht gerne besuche. – Weßhalb hoher Besuch in W. nicht rathsam ist, habe ich dir früher bereits dargelegt. – So etwa am 26ten dieses Monats rutsch ich, auf wenige Tage nur, mit meinen Bekannten über die deutsche Grenze, um alte Bilder zu begucken. – Umgehend, sobald ich zurück bin, geb ich dir Nachricht. Seid Ihr dann, wie ich hoffe, noch nicht nach Süden entwichen, so wird es mir eine große Freude sein, Euch – Deines Winkes gewärtig – in Hannover zu begrüßen und, jenachdem, bis Kaßel begleiten zu dürfen. – Über den S. Ruysdael kannst du wohl ruhig sein. Daß ein »echter« sich so beiläufig in Bädern herumtreibt, ist unwahrscheinlich. Auch die Beschreibung, welche freilich sehr ungenau ist, will nicht so recht paßen. Übrigens kenn ich grad von diesem S.R. zu wenig, als daß ich mir ein entschiedenes Urtheil gestatten würde. Und solches Urtheil überhaupt? Auge und Ausdauer!! Ohne das bleibt's ewig Gethus und Papperlapapp.

Leb wohl! Und womöglich auf baldiges Wiedersehn!

Mit den herzlichsten Grüßen Dein oller Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 362-363.
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