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[364] 881. An Nanda Keßler
Wiedens. 22. Aug. 92.
Liebe Nanda!
Dein Brief war nicht zugeklebt. Hoffentlich haben sich die Postbeamten, im Drange der Saison, ebensowenig Zeit genommen ihn zu lesen, wie du, scheint's, den meinigen. Würdest du ihn näher besichtigt haben, hättest du gewiß Dies und Das, was höchst einfach, mehr gerechtsam entgegen genommen.
Du liebst es, deinem guten Onkel mitunter ein kleines Torpedochen in's Fahrwaßer zu legen. Läßt er's liegen und du fährst nachher unversehens selber darüber und es entsteht ein Explosiönchen, dann, natürlich, hast du's nicht gethan.
Ähnlich, aber neckischer, macht's unsere »gemeinsame Freundin«. Sie bestellt sich mit einem Freunde in N. zusammen. Einem Zweiten theilt sie dies mit. – Gut! denkt der Zweite und hält sich in bescheidener Ferne. – Inzwischen wird der Erste verhindert zu kommen und der Zweite hat längst eine andre Verabredung getroffen. – Jetzt, anstatt sich beim eigenen Näschen zu zupfen, nimmt sie den Letztern beim Ohrwaschel und ruft: Wo hast gesteckt, du Schlingel!
So ist sie mal! Was läßt sich da machen? Man muß sie halt sausen laßen.
Du aber, meine liebe Nanda, wenn auch schnell etwas fuchtig, bist bald wieder gelind, weil bald wieder gerecht. Denn was könntest du auch wohl im Grund anderes denken, als: Er ist und bleibt doch stets, ob nah oder fern, unser guter, alter, hergebrachter
Onkel Wilhelm.
Meinen Gruß an dich und die Kinder! Und kommt frisch und gesund wieder in Frankfurt an.