889. An Franz von Lenbach

[366] 889. An Franz von Lenbach


Wiedensahl 25. Sept. 92.


Liebster Lenbach!

Sehr leid ist mir's, Dich jetzt nicht sehen zu dürfen. Aber von den Mynheers in einem ihrer kleinen Nester innerhalb eines Möbelwagens mit Schmierseife abgerieben zu werden, muß nicht erfreulich sein für Leute, welche gewöhnt sind, für ihre Reinlichkeit selber zu sorgen; und eine Wurst, die sich gedankenlos=willig durchräuchern läßt, ist auch nicht Jeder. Und so hoff ich denn drauf, wenn Du, wie alljährlich, dem Präsidenten der »unsichtbaren Republik« im Winter Deinen Besuch machst, Dich vielleicht einen Tag oder so in Berlin zu treffen. – Der zuwidrig furchtsame Geruch hier um den Nordpol herum wird sich ja dann wohl verzogen haben.

Letzthin stand ich am Harz Gevatter; und kurz zuvor sah ich in der Kaßeler Gallerie unter andern die F. Hals mal wieder und die Baderstube von Teniers. Letztere, mit überirdischer Sicherheit und Gelenkigkeit aus der braunen Tinte hervorgekitzelt, hätt's wohl verdient, endlich einmal unter derjenigen Lichtrichtung zu hängen, bei der sie gemalt ist. Indeß im Gedränge des Zuchthauses muß auch der unschuldig Verurtheilte sich drücken und schicken. – Ein paar hübsche hergeliehene Sachen vermißt ich daselbst; der Besitzer, wie ich höre, hat seine Bilder in Geld verwandelt.

Leb wohl, lieber Lenbach! – Seidl, Seitz, Levi bitt ich freundlichst zu grüßen.

Stets Dein alter getreuer

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 366-367.
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