891. An Grete Meyer

[367] 891. An Grete Meyer


Wiedensahl 31. Oct. 1892.


Liebe Grete!

Sei bedankt für dein angenehmes Brieflein, und sag, bitte, zu Else, daß ich auch ihr für ihre freundlichen Zeilen schön danken laße.

Und red mir nur nicht gleich von Schlittschuhlaufen! Ist denn dieses Wetter, dies Frühlingswetter, dies Sommerwetter, dies Prachtwetter noch immer nicht gut genug für uns? Aber sei nur zufrieden; kalte Händ, kalte Füß und ein hübsch rothes Näschen wirst auch schon noch kriegen grad früh genug.

Also gestern Nachmittag wurde Otto erwartet. Um ihm etwas entgegen zu gehn, begab ich mich zur Hinterthür hinaus. Die Staare sind weggeflattert; der Garten wird öd allmählig. Der weiße Kohl ist herein; ja heut von Fräulein Gustchen zum Theil sogar gehobelt und eingesalzen. Lang ausgestreckt auf dem Land liegen die Bohnenstangen und warten, daß Nickels Sophie sie in ihre Arme schließt und wieder aufrichtet in der alten knorrigen hainbüchenen Laube. Die Rosen, die gestern noch aufrecht standen, sind heut bereits niedergehakt, damit sie, eins zwei drei, zugedeckt werden können mit Tannenreisern, wenn's nächstens plötzlich recht friert. – Und nun, als ich so um die nahende Kaffeezeit aus dem Garten trat, wie schön sah's da aus in der Ferne. Die Felder leicht grün vom neuen Roggen; dunkelgrün die Föhren; golden die Buchen; der Rehburger Berg fein silbergrau. Und etwas diesseits Wagenrode, da kamen sie her auf der Chaußee; drei schwarze Kerls; Otto, Möbius, Riefenberg; letzterer in Hemdsärmeln, Rock am Stock; so warm schien die Sonne. Abends um neun ungefähr hab [ich] sie wieder wegbegleitet bis hinter die Ziegelei. Hell schien der Halbmond; und wie ich umkehre, blinzelt und zwinkert mir röthlich unser Freund Mars entgegen von Süden her, und gleich fiel mir's ein, was Du und ich, wir zwei, doch für tüchtige Astronomen waren, wenn wir damals so auf und nieder spatzierten des Abends im Gartenwege. Gern denk ich daran, und ich hoffe, es kommt noch mal wieder also.

Leb wohl, liebe Grete! Morgen in der Früh geht's nach Ebergötzen auf 8 Tage. Seid allezusammen recht herzlich gegrüßt! Und denn schreib auch mal wieder an den

Onkel Wilhelm.


P.S. Ja, nun weiß ich euere Hausnummer nicht. Ich schicke daher meinen Brief an Otto. – So geht's, wenn man »Meyer« heißt. Da braucht's eine genaue Adreße. Aber wenn du Eudoxia Pfannkuchen hießest, das wär mir doch auch nicht recht – so zu sagen.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 367-368.
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